Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.1. La situation générale
II.2.5. Les relations avec la SdN
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 56
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1508#202* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1508 23 | |
Dossier title | Conflits nés à l'occasion de l'occupation de la Ruhr, 6 avril 1920 (1920–1921) | |
File reference archive | B.56.41.15.02.2 |
dodis.ch/44698 BEMERKUNGEN ZUM PROTEST DES DEUTSCHEN REICHES BEIM VÖLKERBUND WEGEN DER LONDONER SANKTIONSBESCHLÜSSE
Am 10. März 1921 hat das Deutsche Auswärtige Amt dem Generalsekretariat des Völkerbundes eine Note übermittelt, in welcher es den Rat des Völkerbundes ersucht, die erforderlichen Schritte zu tun, um zwischen ihm und den an sog. Sanktionen beteiligten Staaten das Vermittlungsverfahren nach Art. 17 des Paktes einzuleiten. Infolge weiterer Besetzungen im Rheinland hat Minister Simons in einer zweiten Note vom 22. März sein Begehren wiederholt.
Die Note an den Völkerbund ist dem Eidg. Politischen Departement am 17. März durch die deutsche Gesandtschaft «mit der Bitte um Kenntnisnahme» übermittelt worden.2 Ebenso haben sie alle Völkerbundsmitglieder durch das Generalsekretariat erhalten.
Es ist offenbar, dass eine ernste Meinungsverschiedenheit zwischen dem Deutschen Reich einerseits und einigen der Alliierten Mächte anderseits über Auslegung und Anwendung des Vertrages von Versailles besteht und dass es sich um einen Konflikt handelt, der im Sinne von Art. 12 «zu einem Bruche führen könnte».
Im gegenwärtigen Augenblick ist es nicht nötig zu untersuchen, ob das Deutsche Reich – wie die Alliierten behaupten – den Friedensvertrag verletzt habe und ob – wie deutscherseits gesagt wird – die von den Alliierten in London beschlossenen Sanktionen an sich unzulässig und vertragswidrig seien. Nur über den letztem Punkt spricht sich die deutsche Note an den Völkerbund näher aus, während, soweit uns bekannt, die Alliierten zu der Frage der Zulässigkeit der angedrohten, bezw. bereits ausgeführten Sanktionen sich noch nicht geäussert haben. Die deutsche Note setzt sich deshalb nur mit dem vermutlichen Standpunkt der Alliierten auseinander. Nach Pressenachrichten scheinen unter den Alliierten hierüber Meinungsverschiedenheiten bestanden zu haben. punkt der Alliierten auseinander. Nach Pressenachrichten scheinen unter den Alliierten hierüber Meinungsverschiedenheiten bestanden zu haben.
Dass die generelle Klausel des § 18 des Anhangs zu Teil VIII (Wiedergutmachungen) nicht angerufen werden kann, um eine Okkupation zu rechtfertigen, scheint sicher. Die Hauptfrage ist deshalb die, ob – wie Deutschland annimmt – die im XIV. Teil des Friedensvertrages vorgesehenen Garantien eine ausschliessliche Regelung der Sanktionen für Vertragsverletzungen seitens des Deutschen Reiches darstellen oder nicht. Diese Frage kann nicht ohne weiteres bejaht werden, da der Schuldner sich nicht durch Hingabe des Pfandes von der Schuld befreien kann, umsomehr als das Pfand in diesem Fall nicht verwertet werden kann.
In der deutschen Presse u. a. auch von Professor Schücking, ist der Standpunkt vertreten worden, dass der Einmarsch in die rechtsrheinischen Städte – über die vertragsmässige Okkupationszone hinaus – ein kriegerischer Akt sei, da das Deutsche Reich diesem Eingriff in seine Gebietshoheit nicht zugestimmt habe, und dass dadurch der Friedensvertrag von Versailles hinfällig geworden sei. Diesen Standpunkt nimmt die Note nicht ein, vielmehr verlangt sie die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes durch Intervention des Völkerbundes. Auch ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 43 des Friedensvertrages Deutschland in einer Zone von 50 km östlich vom Rhein keine Truppen halten darf, sodass ein militärischer Zusammenstoss und damit ein effektiver Kriegszustand nicht als Folge des jetzt erfolgten Einmarsches zu erwarten war.
Die Hauptfrage ist im gegenwärtigen Zeitpunkt die folgende: Hat das Deutsche Reich ein Recht auf die Durchführung eines V ermittlungs Verfahrens gemäss Art. 17 des Paktes? Die deutsche Note behauptet ein solches Recht nicht direkt. Immerhin wird in der Note darauf hingewiesen, dass Deutschland ein Signatärstaat des Versailler Friedens sei, der auch den Völkerbundspakt enthält. Dieser Umstand gibt aber Deutschland keine Rechte gegen den Völkerbund; vielmehr ist zu prüfen, ob ein Nichtmitgliedstaat nach Art. 17 das Vermittlungsverfahren verlangen kann.
Dies trifft, wie schon in der Botschaft vom 4. August 1919 gesagt ist, nicht zu. Nicht nur wäre eine solche Auslegung mit dem Wortlaut des Artikels 17 kaum zu vereinbaren, sondern es ist wohl sicher, dass die siegreichen Mächte den besiegten und vom Völkerbund vorläufig ausgeschlossenen Staaten ein solches Recht auch nicht zuerkennen wollten. Anderseits wird es für den Völkerbund schwierig sein, eine Vermittlung nicht anzunehmen, wenn er darum ersucht wird, denn die Grundsätze, die er für die Erhaltung des Friedens unter seinen Mitgliedern aufgestellt hat, sind nicht weniger venünftig, wenn es sich um Streitigkeiten mit Nicht-Mitgliedern handelt. Das Eintreten auf das Begehren Deutschlands ist nicht eine Rechtspflicht, sondern eine Frage der Opportunität und politischen Moral.
Dagegen kann man sich fragen, ob nicht die Mitgliedstaaten nach Art. 17 verpflichtet gewesen wären, ehe sie den Boden der Unterhandlungen mit Deutschland verliessen und zur Selbsthilfe schritten, ihrerseits die Intervention des Völkerbundes hätten anrufen sollen. Eine solche Pflicht wird, wie die erwähnte Botschaft ausführt, für die Mitglieder nicht direkt statuiert, aber man sollte meinen, dass der Völkerbund bei solchen Konflikten mit oder unter Nicht-Mitgliedstaaten von Amtswegen zu intervenieren und letztere einzuladen habe, sich dem Verfahren gemäss Art. XII fahren gemäss Art. XII bis XVI zu unterwerfen. Daraus ergibt sich aber mittelbar die Pf licht der Mitglieder des Völkerbundes diese Aktion des Völkerbundes nicht durch einseitiges Vorgehen ihrerseits zu präjudizieren. Der Artikel 17 sagt: shall be invited bezw. sont invités. Sofern die Sanktionen nicht als durch den Friedensvertrag selber gerechtfertigt und somit von Deutschland anerkannt sich erweitern lassen, kann das Vorgehen der Alliierten gegen Deutschland, bezw. die Passivität des Völkerbundes rechtlich beanstandet werden, denn der Einmarsch in fremdes Gebiet ist keine friedliche Massnahme und kann ohne weiteres in Krieg übergehen. Die Vorschrift des Art. 12 ist deshalb vorgängig zu beobachten.
Vom tatsächlichen und politischen Standpunkte aus ist indessen folgendes zu sagen:
Wenn die Einleitung eines Friedensverfahrens nach Art. 17 nicht als eine Verfahfahrensfrage betrachtet wird – als was sie allerdings richtiger Weise zu betrachten ist – so bedarf es der Einstimmigkeit, und die Zustimmung Frankreichs erscheint ausgeschlossen. Aber selbst wenn eine Mehrheit entscheiden kann, so ist es sehr fraglich, ob eine solche gegenwärtig im Rat zu finden wäre. Selbst in diesem Falle würde eine unmögliche Situation entstehen: Mindestens drei der 8 im Rat vertretenen Staaten (Frankreich, England, Belgien) hätten keine Stimme mehr. Von den übrigen 5 Staaten wären vier ebenfalls Signatäre des Friedensvertrages, also in gewissem Sinne Partei. Überdies hat nach Art. 17 der Rat die Kompetenz, für das Verfahren besondere Vorschriften aufzustellen – in welchem Sinne dies geschähe, ist ungewiss.
Vom Standpunkte der Neutralen aus ist es ein Glück, dass das Verfahren nach Art. 17 nicht eingeleitet worden ist, denn einerseits würde es kaum möglich gewesen sein, eine wirklich unparteiische – oder jedenfalls eine als unparteiisch allgemein anerkannte – Vermittlungsinstanz zu schaffen, und anderseits wären dann unter Umständen alle Mitgliedstaaten gemäss Art. 16 gezwungen gewesen, sich mit der einen Partei solidarisch zu erklären, wenn es zu einem bewaffneten Konflikt gekommen wäre.
Mit der Anrufung des Völkerbundes hat Deutschland diesem einen schlechten Dienst erwiesen wie überhaupt mit den ändern bisherigen Berufungen an diese Instanz.3 Kommt dabei etwas heraus – was aber offensichtlich ganz unwahrscheinlich ist, so hat der Beschwerdeführer einen Gewinn und im Völkerbund entsteht eine gewisse Spannung. Entzieht sich aber der Völkerbund seiner Vermittlungsrolle oder lehnt er das Begehren Deutschlands ab (wie in der Angelegenheit Eupen-Malmédy und wahrscheinlich in der Mandat-Frage), so ist er in den Augen vieler Neutraler und Skeptiker diskreditiert und damit noch mehr der Friedensvertrag, dessen bestes Stück der Pakt ist.
Vom Standpunkte des Völkerbundes und des allgemeinen Friedens aus würde allerdings eine unparteiische Intervention in dem Konflikt zwischen den beiden Parteien des Friedensvertrages, wie sie jüngst von der englischen League of Nations Union befürwortet wurde, die richtige Lösung sein. Sie erscheint aber z. Z. aussichtslos und es ist vielleicht besser, wenn der Völkerbund vorläufig so wenig als möglich mit dem Friedensvertrag zu tun hat und dessen Vollzug. Die Passivität des Völkerbundes in diesen Fragen ist seinem Ansehen gewiss nicht förderlich, sie ist aber jedenfalls weniger nachteilig als ein offenbarer Misserfolg, der bei einer Intervention in den Streit um den Friedensvertrag heute fast unvermeidlich erscheint.
Es ist endlich noch eine mit oben Ausgeführtem sich berührende, z. Z. allerdings von keiner Partei aufgeworfene Frage zu erörtern. Die Art. 42–44 des Friedensvertrages von Versailles verbieten dem Deutschen Reich in der 50 km Zone östlich des Rheins Festungen bestehen zu lassen oder neu anzulegen, ständig oder zeitweilig Truppen dort anzusammeln und irgendwelche militärische Übungen abzuhalten oder Mobilisationsvorkehrungen irgendwelcher Art beizubehalten. Nach Art. 44 sind etwaige Verstösse gegen diese Bestimmungen als feindselige Handlungen gegen die Signatärmächte des Friedensvertrages und als Störungen des Weltfriedens zu betrachten.
Abgesehen davon, dass die Auslegung dieser Bestimmungen die eine bedenkliche Rechtsfiktion enthalten, leicht zu Meinungsverschiedenheiten Anlass geben kann, ist zu beachten, dass die Alliierten, gestützt auf Art. 44, versuchen könnten, einen Verstoss gegen die Vorschriften der Art. 42 und 43 als einen Überfall, als einen Krieg unter Verletzung des Art. 12 des Paktes hinzustellen und auf Grund von Art. 16 an die Solidarität aller Völkerbundsmitglieder zu appellieren. Zwar ist Deutschland, solange es ausserhalb des Völkerbundes steht, durch Art. 12 nicht gebunden, ebensowenig wie es durch Art. 17 berechtigt ist. Es ist aber denkbar, dass der Rat es im Sinne von Art. 17 auffordert, sich dem Völkerbundsverfahren zu unterwerfen, und, im Weigerungsfälle, es als im Kriegszustand mit dem Völkerbund erklärt.
Ein solches Vorgehen wäre sicherlich im Widerspruch zu Wortlaut und Sinn des Völkerbundspaktes und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass in dieser Weise vorgegangen werde. Immerhin könnten die Alliierten ein Interesse daran haben, und es ist aus diesem Grunde angezeigt, jetzt schon zu einer solchen Situation Stellung zu nehmen.
Die Verstösse gegen Art. 42 und 43 würden Verletzungen des Friedensvertrages bedeuten, würden aber keine Kriegshandlungen darstellen – weder rechtlich noch tatsächlich – wie sie durch Art. 12, 13 und 15 verboten und durch Art. 16 mit Sanktionen bedroht sind. Ein fiktiver Kriegszustand auf Grund eines Vertrages unter dritten Staaten ist mindestens für die dem Völkerbund beigetretenen Neutralen inexistent.
Die Gefahr einer Hereinziehung des ganzen Völkerbundes in den Konflikt zwischen den Alliierten und Deutschland auf Grund des Art. 44 träte namentlich dann ein, wenn sich Deutschland in der 50 km Zone schliesslich den als Sanktionen vorgenommenen Okkupationen manu militari entgegensetzte, oder wenn, wie dies schon 1920 der Fall war, deutsche Truppen wegen innerer Unruhen in die 50 km Zone einrücken würden. Es ist denkbar, dass der dringliche Appell Deutschlands an den Völkerbund in der Frage der Sanktionen u.a. auch den Zweck hat, durch erfolglose Anerbietung des Vermittlungsverfahrens im Sinne des Art. 17 den Völkerbund auszuschalten für den Fall, dass es schliesslich zum bewaffneten Konflikt, sei es innerhalb, sei es ausserhalb der 50 km Zone kommen sollte. Von diesem Gesichtspunkte aus ist das Vorgehen Deutschands den ehemaligen Neutralen nicht nachteilig.