Classement thématique série 1848–1945:
I. LA SUISSE ET LA SOCIÉTÉ DES NATIONS
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 430
volume linkBern 1984
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#277* |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Oktober - Dezember 1920 (1920–1920) |
dodis.ch/44641
Gemäss Art. 6 des Völkerbundspaktes werden die Kosten des Generalsekretariates von den Gliedstaaten des Völkerbundes in dem Verhältnis getragen, wie es im Ausführungsreglement der Konvention des Weltpostvereins festgestellt ist. Die in Artikel 38, § 5, dieses Reglements vorgesehene Klassifizierung der Staaten ist eine ziemlich willkürliche, da es bisher den einzelnen Staaten freigestellt war, in welche Klasse sie eingeteilt zu werden wünschten. Solange es sich nur um die Verteilung von Ausgaben im Betrage von Fr. 125,000 (resp. 160,000 im letzten Jahre) handelte, haben viele Mitgliedstaaten, u.a. auch die Schweiz, die Mehrkosten nicht gescheut, um in eine hohe Klasse eingeteilt zu werden. Teuer kam aber die Ehre zu stehen, als es sich darum handelte, einen der Klasse entsprechenden Beitrag an die Völkerbundskosten zu bezahlen. Das Budget des Völkerbundes für 1921 sieht Ausgaben im Betrage von ungefähr 30 Millionen Goldfranken vor, wovon beispielsweise auf die Schweiz 900,000 Fr., also ungefähr 730, fallen würden. Der Wunsch nach einem gerechteren, der wirklichen Zahlungsfähigkeit der einzelnen Staaten angepassten Verteilungssystem war deshalb unter den Völkerbundsstaaten ein ziemlich allgemeiner.
In seiner Sitzung von Rom beschloss denn auch der Völkerbundsrat, es sei von der Finanzkonferenz ein Ausschuss von Experten zu bestimmen, der zu prüfen hätte, nach welchen Grundsätzen die Verteilung der Kosten geregelt werden könnte. Infolge der Verschiebung der Finanzkonferenz wurde später der Präsident der Finanzkonferenz, Herr Ador, vom Rat gebeten, die Ernennung dieser Expertenkommission selbst vorzunehmen.
In den Verhandlungen dieser Kommission, an denen Herr Alfred Georg aus Genf als schweizerischer Experte teilnahm, wurden von vorneherein die Schwierigkeiten betont, die mit einer allfälligen Änderung des Paktes, resp. dessen Art. 6, verbunden wären. Herr Georg wurde beauftragt, den Bundesrat in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Staat des Weltpostvereins offiziös anzufragen, ob er eine Änderung des Ausführungsreglements der Konvention des Weltpostvereins, im Sinne einer Neuklassierung der Staaten, für möglich halte.
Nachdem der Bundesrat dies bejaht und seine guten Dienste in dieser Angelegenheit angeboten hatte, beriet die Kommission die Neuklassierung der Staaten und kam zum Schlüsse, es seien bei der Neueinteilung der Völkerbundsmitglieder als Klassierungsfaktoren einzig die Einnahmen dieser Staaten von 1913 sowie deren Bevölkerungszahl zu berücksichtigen. Die Frage des Verhältnisses der beiden Elemente zueinander wurde von der Kommission offen gelassen, dagegen wurde in der Resolution ausgeführt, dass es zweckmässig wäre, die Anzahl der Klassen, wie sie der Weltpostverein vorsieht, beizubehalten, und dass eine auf den beiden genannten Faktoren sich aufbauende Neueinteilung nur provisorischen Charakter haben sollte. Für den Fall der Ernennung einer ständigen internationalen Finanzkommission hätte diese ein auf noch gründlicherer wissenschaftlicher Basis aufgebautes System der Klassierung auszuarbeiten.
Die zur Besprechung des Vorgehens in der Angelegenheit vom politischen Departement einberufene interdépartementale Konferenz, an der ausser den Vertretern des politischen Departements, des Volkswirtschaftsdepartements, des Finanzdepartements und des Postdepartements auch die Herren Dr. Alfred Georg aus Genf und Henrioud vom Weltpostverein teilnahmen, war übereinstimmend der Ansicht, dass die von der Völkerbundskommission vor geschlagene Basis der Neuklassierung eine gerechte Verteilung der Kosten des Völkerbundes weit eher ermögliche als die gegenwärtig bestehende, ziemlich willkürliche Einteilung derselben, und dass deshalb die betreffende Resolution beförderlichst dem Weltpostverein zur Kenntnis zu bringen sei. Man war ferner übereinstimmend der Ansicht, dass die Angelegenheit dem gegenwärtig in Madrid tagenden Kongress des Weltpostvereins unterbreitet werden müsse, und dass es sehr zu begrüssen wäre, wenn derselbe noch vor seiner Vertagung die Revision des erwähnten Art. 38, § 5, vornehmen könnte. Andererseits gab man sich Rechenschaft darüber, dass es für den Kongress eine fast unmögliche Aufgabe wäre, in so kurzer Zeit zu einer Lösung des Problems zu kommen, wenn ihm nicht ein auf der Basis der von der Völkerbundskommission vorgeschlagenen Elemente aufgebautes Projekt vorgelegt würde.
Die interdépartementale Konferenz beschloss daher, es sei ein solches Projekt von der Schweiz, an Hand der ihr zur Verfügung stehenden Angaben über die Einnahmen und Bevölkerungszahl der einzelnen Staaten, auszuführen. Auf Wunsch der Konferenz unterzogen sich die Herren Dr. Georg Ney, Direktor des eidgenössischen Statistischen Amtes, und Dr. Wetter, Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements, dieser Aufgabe, und in einer zweiten interdepartementalen Konferenz konnte von den von diesen Herren ausgearbeiteten Zusammenstellungen Kenntnis genommen werden.
Die genannten Herren schlagen übereinstimmend vor, es sei zur Berechnung der für die Verteilung der Völkerbundskosten in Zukunft massgebenden Indexziffern 1 Millionstel der Bevölkerungszahl und ein Millionstel der Einnahmen der verschiedenen Staaten im Jahre 1913, berechnet in £, in Betracht zu ziehen.
Die Grundlagen der Berechnung sind in verschiedenen Listen3 aufgezeichnet. Liste 1 zeigt die verschiedenen der Postunion angehörenden Staaten mit ihrer Bevölkerungszahl und ihren Einnahmen pro 1913 in £. Liste 2 enthält die Indexziffern der verschiedenen Staaten. Liste 3 deren Neuklassierung. Liste 4 gibt eine Übersicht über die Anteile der verschiedenen Mitgliedschaften des Völkerbundes an die auf 30 Millionen Franken vorgesehenen Ausgaben von 1921.
Wenn die Schweiz auf dieser Liste 3 in der Klasse 5 figuriert, so bedarf das hier einer besondern Erklärung. Wäre deren Indexziffer in gleicher Weise berechnet worden wie bei den übrigen Staaten, so hätte sie in die sechste statt in die fünfte Klasse eingeordnet werden müssen. Als Einnahmen sind bei allen Staaten nur die Einnahmen der Zentralstaaten, ohne Berücksichtigung derjenigen der Provinzen und Kantone, in Betracht gezogen worden. Die Schweiz scheint aber in dieser Hinsicht eine einzigartige Stellung einzunehmen. Die Kantone besitzen eine ausgedehntere Finanzhoheit als die Provinzen anderer Staaten. Die Einnahmenziffern der Schweiz als solche sind daher relativ sehr niedrig. Dieser Umstand und auch die Überlegung, dass die Schweiz es ihrem Ansehen schuldig sei, nicht in einer zu tiefen Klasse eingereiht zu werden, hat die interdépartementale Konferenz bewogen, vorzuschlagen, es sei zur Berechnung der Indexziffer der Schweiz nicht deren Einnahmeziffer von 1913, sondern diejenige von 1920 zu berücksichtigen. Auf diese Art und Weise erhielt sie ihren Platz in der fünften Klasse, zusammen mit Ländern wie Dänemark, Norwegen und Schweden, und würde bei einem Budget von 30 Millionen rund 420,000 Franken beizusteuern haben.
Der Direktor des Internationalen Bureaus des Weltpostvereins ist durch ein Schreiben des politischen Departements in der Angelegenheit bereits eingehend orientiert worden. Ein auf der Basis der von der Völkerbundskommission bezeichneten Elemente ausgearbeiteter Entwurf ist ihm in Aussicht gestellt worden. Bei der Übermittlung desselben würde vielleicht zweckmässig darauf hingewiesen werden, dass es nicht nur in hohem Masse wünschbar wäre, wenn der Kongress noch vor seiner Auflösung die Neuklassierung vornehmen würde, sondern dass es im Interesse einer möglichst baldigen gerechten Verteilung der Völkerbundskosten liegen würde, wenn der Kongress zugleich beschliessen würde, die neue Bestimmung sofort in Kraft treten zu lassen.
Herr Ador als Vertreter des Völkerbundsrates wird in Beantwortung seines Schreibens vom 28. Oktober von den Schritten des Bundesrates benachrichtigt werden. Ferner dürfte es zweckmässig sein, dass die schweizerischen Delegierten an der Völkerbundsversammlung dem Generalsekretariat vom Vorgehen des Bundesrates mündlich Mitteilung machen. Das Generalsekretariat wäre sodann in der Lage, den Vertretern der übrigen Völkerbundsstaaten die Notwendigkeit der Ausübung eines Druckes ihrer Regierungen auf die Vertreter in Madrid im Sinne einer Beschleunigung der Neuklassierung nahezulegen.
Gemäss dem Antrag des politischen Departements wird beschlossen:
1. Der von der interdepartementalen Konferenz vorgeschlagene Entwurf einer Neuklassierung der Staaten in Hinsicht auf deren Beitragsleistung an die Völkerbundskosten wird genehmigt.
2. Dieser Entwurf ist dem Internationalen Bureau des Weltpostvereins zuhanden des Kongresses zu unterbreiten.
3. An Herrn Ador, als Vertreter des Völkerbundsrates, ist das im Entwurf vorgelegte Antwortschreiben zu richten.
4. Die schweizerische Delegation an die Völkerbundsversammlung hat dem Generalsekretariat vom Vorgehen des Bundesrates in der Angelegenheit Mitteilung zu machen und dasselbe auf die Wünschbarkeit der Ausübung eines Drukkes der Regierungen der Völkerbundsstaaten auf deren Vertreter in Madrid im Sinne der Beschleunigung der Neuklassierung der Staaten aufmerksam zu machen.
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