dodis.ch/44418
Le Ministre de Suisse à
Paris,
A. Dunant, à la Division des Affaires étrangères du Département politique
1
Paris, 30. Dezember 1919 (Ankunft: 31. Dezember)
Da die französische Regierung nicht einzig auf Ihr Aide-Mémoire betr. Beitritt der Schweiz zum Völkerbund2 antworten will, beschloss sie, die Frage dem Obersten Rat zu unterbreiten, der eine Kommission von Rechtsgelehrten beauftragte, die Antwort vorzubereiten.
Die Auskünfte, die ich über die Meinung dieser Rechtsgelehrten erhalten konnte, fasse ich wie folgt zusammen:
1. Ebensowenig wie man eine Ratifikation der Vereinigten Staaten mit Vorbehalten annehmen wird, will man einen Beitritt mit Vorbehalten.
2. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man der Schweiz die Möglichkeit lassen wird, die Frist von 2 Monaten, die mit der Ratifikation des Friedensvertrages mit Österreich oder Bulgarien zu laufen beginnt, zu benützen. Diese Verträge enthalten diese Frist auch, was uns Zeit geben wird, das Referendum zu organisieren.
3. Dieses letztere ist für unser Land eine Frage innerer Natur, welche die ändern Mächte nicht betrifft.
4. Das Datum des Paktes ist der 28. Juni, der Tag der Unterzeichnung des Friedens mit Deutschland und nicht der 28. April, wie dies sowohl im Aide-Mémoire als auch im Bundesbeschluss angegeben ist.
5. Der Vertrag sieht die vollzogene Ratifikation von 3 Grossmächten vor und nicht von 5. Der Pakt wird zur gleichen Zeit in Kraft treten wie der Friedensvertrag, und der Völkerbund wird von diesem Augenblick an konstituiert sein. Die ersten vorbereitenden Zusammenkünfte werden in Paris stattfinden, um verschiedene Klauseln des Vertrages ausführen zu lassen, dann später, wenn man in Genf zusammentreten will, sollte die Schweiz offiziell und ohne Vorbehalte angenommen haben, d.h. ihr Referendum sollte stattgefunden haben und sie sollte nicht mehr darauf bestehen, die Ratifikation des Vertrages durch die fünfte Grossmacht abzuwarten, was im Vertrag nirgends vorgesehen ist.
6. Der Sitz wird nicht wieder in Frage gestellt und man will kein Provisorium in Brüssel, aber wir haben Interesse daran, unsere Fristen zu regeln.
7. Ohne im allergeringsten unsere fortdauernde Neutralität in Frage zu stellen, scheinen die genannten Rechtsgelehrten gesonnen zu sein, Vorbehalte über unsere Auslegung bezüglich der Kombination der Art. 21 und 435 zu machen. Unsere Interpretation ist einseitig, indem es einzig und allein dem Völkerbund zustehen wird, auszulegen, in welchem Masse sich die aus dem Pakt ergebenden Pflichten (devoirs) mit den Pflichten der Neutralität vertragen. Übrigens, da die Schweiz am Völkerbund teilnehmen wird, wird sie zu jeder Beratung betr. diese Auslegung beigezogen werden.
Der eigentliche Grund ist der, dass man nicht zum voraus eine Verpflichtung durch den Völkerbund zu übernehmen wünscht, dem man vollständige Freiheit lassen will.
Sobald ich weiteres vernehme, werde ich wieder telegraphieren.