Classement thématique série 1848–1945:
XVI. LA REPRÉSENTATION DIPLOMATIQUE DE LA SUISSE À L'ÉTRANGER
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 68
volume linkBern 1984
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.53-02#1000/1760#11* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.53-02(-)1000/1760 2 | |
Dossier title | Tschechoslowakischer Staat (1919–1919) | |
File reference archive | C.8 |
dodis.ch/44279
Als ich Ende August in Bern war, hatte ich leider nicht die Ehre, Sie sprechen zu können, da Sie gerade in Fetan zur Erholung weilten. Ich hätte mehrere Fragen, die sich besser zur mündlichen als zur schriftlichen Erledigung eignen, besprechen mögen; einige davon behandelte ich mit Ihrem Stellvertreter, Herrn Bundesrat Motta, einige auch mit Herrn Bundesrat Schulthess und mit den Herren Paravicini und Lardy.
Was unter anderm die Neuordnung der Gehalte der Gesandten betrifft, wird Ihnen Herr Minister v.Planta vorgetragen haben; die Frage unserer Vertretung in den neuentstandenen Staaten muss ich Ihnen aber auch noch direkt unterbreiten.
Wie ich hörte, soll sich der Bundesrat, wenn nicht endgültig so doch ziemlich bestimmt, gegen die vom politischen Departement vorgeschlagene Errichtung neuer Gesandtschaften in Stockholm, Warschau, Prag, Belgrad und Athen und einige Generalkonsulate ausgesprochen haben. Die Seite, von der die Opposition in der Hauptsache auszugehen scheint, bringt als Gegenargument in erster Linie die finanziellen Konsequenzen ins Treffen, im zweiten Range unsern Mangel an geeigneten Kräften. Was den ersten Punkt betrifft, so scheinen mir die ganz vage angeführten Zahlen übertrieben und unzutreffend; und die Personalfrage kommt mir andererseits auch nicht so schwierig vor, man sollte es nur wagen, auf jüngere Kräfte zu greifen. Ich will keineswegs protzen, darf vielleicht aber doch in Erinnerung bringen, dass ich mit 30 Jahren selbständiger Geschäftsträger und mit 36 Jahren Ministerresident, mit 40 Gesandter in London war. Wer nicht einsieht, dass unsere Vertretung im Auslande der Erweiterung dringend bedarf, ist für die zukünftige Gestaltung des internationalen Wirtschaftskampfes blind. Ich fürchte, dass als Berater gewisser massgebender Stellen in erster Linie und in der Hauptsache nur Grossindustrielle, Grosskaufleute und Banquiers herangezogen werden. Diese kapitalkräftigen Kreise werden sich stets selbst zu helfen wissen, ihre Vertreter nach allen Himmelsrichtungen aussenden und genauere Informationen einziehen können, als es durch Vermittlung eines Gesandten, Konsuln oder Handelsattachés der Fall wäre; aber das sind nur die «Grossen»; mittlere und kleinere Industrielle und Kaufleute werden dagegen die Vermittlung unserer Vertretungen und ihre Informationen ganz gut brauchen können. Übrigens darf man nur nicht glauben, die «Grossen» nehmen den Schutz und die Unterstützung der Gesandtschaften nicht in Anspruch; wenn es ihnen passt, wissen sie dieselben wohl zu finden. Wie dem auch sei, ich hoffe immer noch auf das Einsehen des Bundesrates und auf die Bundesversammlung.
Was speziell die um Österreich herum gruppierten Staaten anbetrifft, so wissen Sie, dass ich der Ansicht war, dass man für den Fall, dass nicht überall neue Gesandtschaften gegründet würden, in Wien eine zentrale Gesandtschaft belassen werden könnte, welche zugleich in Wien, Prag und Budapest, eventuell auch in Belgrad und in Warschau akkreditiert wäre, wobei der Gesandte seinen gewöhnlichen Sitz in Wien hätte und nur gelegentlich (z.B. bei wichtigen Geschäften) die ändern Posten aufsuchen würde, die in der Zwischenzeit von einem Legationssekretär als Geschäftsträger ad interim geleitet würden (vergl. meinen Brief vom 20. Februar).2 Eine solche Organisation hätte, namentlich als Provisorium, gewisse entschiedene Vorteile. Zunächst hätten wir die Möglichkeit, ohne uns schon auf eine ständige Gesandtschaft zu binden (deren Aufhebung immer etwas Delikates ist), die Wichtigkeit der verschiedenen Posten an Ort und Stelle und durch längere Praxis kennenzulernen, dann würde der Kostenpunkt weniger ins Gewicht fallen, indem nicht überall zugleich neue voll ausgerüstete Gesandtschaften geschaffen würden, und endlich würde dadurch die noch ganz unabgeklärte Zukunft der Donaustaaten berücksichtigt. (Kommt eine Donauföderation in irgend einer Form zu Stande, so wird jedenfalls eine Gesandtschaft an deren Zentrum notwendig sein, ob noch in den einzelnen Staaten, wird sich wohl erst später zeigen).
Wie ich nun in Bern hörte, haben Sie in zweiter Linie auch diese Lösung ins Auge gefasst (Wien mit Prag und Budapest) und haben in Paris beim tschechoslovakischen Minister des Äussern sondieren lassen. Wie zu erwarten war, hat sich Herr Benes dahin ausgesprochen, dass der Gesandte in Prag seinen Sitz nicht in dem wenig beliebten Wien, sondern in Prag selbst haben müsste. Welcher Minister des Äussern in irgend einem Staate würde nicht eine ähnliche Antwort erteilen? Nicht festgestellt scheint mir indessen, wie sich der Herr Minister verhalten würde, wenn ihm die Frage gestellt werden sollte: entweder ein Gesandter mit Sitz in Wien und ein Sekretär als interimistischer Geschäftsträger in Prag, oder gar keine diplomatische Vertretung, sondern höchstens ein Konsulat, ja wahrscheinlich nur ein Honorarkonsul.
Wie ich in Bern nun weiter erfuhr, war eine provisorische Lösung der Angelegenheit in der Richtung gesucht worden, dass Herr Junod in ausserordentlicher Mission nach Warschau und Prag entsandt werden sollte.3 Die Aufgabe des Herrn Junod ist mir nicht recht klar geworden; wenn ich Herrn Bundesrat Schulthess richtig verstanden habe, sollte er die Absichten der polnischen und der tschechoslovakischen Regierung in Bezug auf die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz (Handelsvertrag) erforschen. Die Verquickung einer Mission nach Prag mit einer solchen nach Warschau schien mir nun aber keine sehr glückliche Lösung darzustellen. Der Antagonismus zwischen Polen und Tschechen ist ein noch grösserer als zwischen Tschechen und Deutschösterreichern, zumal im jetzigen Augenblicke, wo wegen des Gebietes von Teschen und der Kohlenreviere eine solche Spannung besteht, dass bewaffnete Konflikte nicht ausgeschlossen erscheinen. Wie ich übrigens von wohlinformierter polnischer Seite kürzlich hörte, ist der Tscheche in Polen so verhasst und verachtet, dass der Name «Tscheche» beinahe immer nur mit dem Prädikate «Hund» ausgesprochen wird.
Wie ich nun aus dem letzten politischen Briefe4 Ihres Departementes und aus den Meldungen der Schweizerpresse entnehmen konnte, scheint die Mission des Herrn Junod auf Polen beschränkt worden zu sein, was wohl als eine Berücksichtigung meiner Einwendungen zu betrachten sein wird.
Ich hatte nun mit den obenerwähnten Herren in Bern die Frage erwogen, ob die tschechoslovakische Regierung von ihrem ersten Standpunkte nicht etwa abzubringen wäre, bezw., ob nicht ein Schritt beim Ministerpräsidenten selbst von Erfolg sein könnte. Ich hatte mir gedacht, ich könnte unter dem Vorwande einer privaten Reise zu Freunden in der Umgebung Prags – die mich tatsächlich zu einem Besuche zu sich aufs Land eingeladen haben – auf der Durchreise Herrn Tusar, mit dem ich aus seiner Wiener Gesandtenzeit die besten Beziehungen habe, einen Privatbesuch abstatten und bei diesem Anlasse die Gesandtschaftsfrage aufs Tapet bringen. Nach reiflicher Überlegung bin ich von diesem Plane wieder abgekommen. Ob Tusar nicht auf dem gleichen Standpunkte wie Benes steht, schien mir zweifelhaft, ebenso, ob er aus reiner Sympathie zu mir davon abzubringen wäre; aber wenn auch der Ministerpräsident anderer Ansicht wäre als sein Minister des Äussern, mag es doch zweifelhaft sein, ob er in solcher Sache, bei welcher letzterer durch einen Appel an die Eitelkeit des Volkes die öffentliche Meinung auf seine Seite bringen könnte, einen, wenn auch nicht sehr ernsten, Konflikt heraufbeschwören möchte. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass Benes als der Mann Masaryks gilt. Mich einem Refus ins Gesicht auszusetzen, schiene mir weder für mein persönliches Ansehen noch für den Bundesrat vorteilhaft, zumal wenn die Sache publik würde; in letzterm Falle könnte sogar meine hiesige Stellung darunter leiden, wenn ich mich allzusehr um die Tschechen zu bemühen schiene.
Dieser Tage hatte ich nun aber den Besuch sowohl meines niederländischen als meines schwedischen Kollegen, welche beide ihren Regierungen den Vorschlag zu machen gedenken, es möchte der in Wien residierende Gesandte zugleich auch in Prag und Budapest akkreditiert werden; sie wünschten unsere Absichten zu kennen. Ich teilte den beiden Herren die Sachlage vertraulich mit, und sie werden ihren Regierungen referieren. Möglicherweise werden letztere nun direkt in Prag sondieren; es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sie, ohne vorherige Anfrage, der tschechoslovakischen Regierung ihre Absicht, ihren Wiener Gesandten auch in Prag zu akkreditieren, einfach als eine Tatsache mitteilen. Meine Kollegen haben versprochen, mir von dem Ergebnis der Demarchen ihrer Regierungen Kenntnis zu geben.
Unter diesen Umständen könnte vielleicht abgewartet werden, ob nicht durch das Vorgehen der Niederlande oder Schwedens ein Präjudiz geschaffen wird, welches uns ein ähnliches Vorgehen erlauben würde. Bis dorthin wird sich wohl auch zeigen, ob die versöhnliche Politik Tusars die Oberhand behält, oder ob Kramar mit seinem extremen Nationalismus durchdringt; der Kampf zwischen den beiden Richtungen ist entbrannt; die Entscheidung dürfte nicht allzulange auf sich warten lassen.
Politisch näher als Tschechoslowakien, Ungarn und Österreich stehen sich allerdings Polen,Ungarn und Österreich; ein Zusammengehen derselben scheint gegenwärtig nicht ausgeschlossen, aber die wirtschaftlichen, geographischen und ethnographischen Faktoren sind doch so mächtig, dass eine Annäherung Prags an Wien und Budapest als beinahe zu den Naturnotwendigkeiten gehörig erscheint; man bedenke schon nur, dass die Tschechoslowakei bei einer Bevölkerung von ca. 14 Millionen nur 5 Millionen eigentliche Tschechen zählt, während der Rest aus 31/2 Millionen Deutschen, 2 Millionen Magyaren und 472 Millionen Slovaken, Mähren, Polen, Ruthenen, besteht.
In Polen wird Schweden als Nachbarland eine besondere Gesandtschaft errichten, von den Niederlanden ist es noch ungewiss.
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