Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 414
volume linkBern 1979
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7350#1000/1104#6* | |
Old classification | CH-BAR E 7350(-)1000/1104 13 | |
Dossier title | Jugoslawien und Serbien (1914–1918) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/44159 Le Consul général de Suisse à Belgrade, Ch. Vögeli, au Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess1
Der Verkauf der mit dem Separatzug nach Serbien gebrachten Waren begegnete unverhofften Schwierigkeiten, die eine rasche Liquidierung des ganzen Transportes verunmöglicht.
Das erste und grösste Hindernis ist die Beschaffung der Valuta. Die hiesigen Banken, die serbische Nationalbank mit inbegriffen, haben im Auslande keine Guthaben, können infolgedessen keine Checks abgeben, so dass man ausschliesslich auf die Banque Franco-Serbe angewiesen ist, die aber die Situation zum grossen Schaden der schweizerischen Industrie ausnützt. Das Finanz-Ministerium gab im Monat Januar und Februar an serbische Kaufleute Checks auf Paris al pari, d.h. für 100 Dinar 100 franz. Francs ab, leider musste die Trassierung auch eingestellt werden und erst seit drei Wochen können wieder Checks im Ministerium gekauft werden, aber nur in sehr beschränktem Masse und zum Kurse von 120, d.h. für 100 französische Franken 120 Dinars. Dieser Kurs würde den Verkauf nicht beeinträchtigen, wenn das Ministerium nicht die ausdrückliche Bedingung daran anknüpfen würde, dass mit diesen Checks ausschliesslich nur französische Ware gekauft werden dürfe. Einige Kaufleute haben sowohl direkt beim Finanzminister, wie auch durch die Handelskammer dagegen protestiert, aber ohne Erfolg. Die französische Regierung soll der serbischen monatlich zirka 6 Millionen Francs zur Verfügung stellen, worüber das Finanz-Ministerium teilweise in der angeführten Weise disponiert. Die Franzosen geben sich alle Mühe, ihre Waren in Yougoslavien abzusetzen und können natürlich als Geldgeber bei der serbischen Regierung den nötigen Druck ausüben. So bleibt denn nur die Banque Franco-Serbe für ausländische Valuta übrig, die aber als französisches Institut auch nur die Interessen ihres Landes vertritt. Dies umsomehr, als sie beim Warentransport von zirka 20 Wagons, der acht Tage vor dem schweizerischen aus Paris hier eintraf, beteiligt zu sein scheint. Als Eigentümer und Verkäufer figuriert ein gewisser Gasseau, der weder irgendwelche Branchen- noch Platzkenntnisse besitzt und deshalb viel uncourante Ware brachte. Der grössere Teil seines Transportes wird ihm denn auch für lange Zeit bleiben. Dieser Umstand wirkte aber insoferne ungünstig auf das schweizerische Unternehmen, als eben die Banque Franco-Serbe durch den hohen Kurs den Verkauf zu hemmen sucht. Für Checks auf die Schweiz verlangt sie 179-180 Dinars für 100 schweizerische Franken. Dieser abnormal hohe Kurs hat absolut gar keine Berechtigung und muss man zum Schlüsse kommen, dass man dem Schweizerhandel absichtlich Schwierigkeiten in den Weg legen will.
Als zweites Hindernis für einen rascheren Verkauf kommt das Fehlen der Transportmittel in Serbien in Betracht. Die Eisenbahn verkehrt einstweilen von Saloniki bis Nisch, während die Linien Pirot-Nisch-Belgrad, Paracin-Zajecar, Valjevo-Mladenovatz etc. zum Teil ganz unterbrochen sind, so dass sowohl Personen als auch Waren per Achse spediert werden müssen. Infolge dieser Verhältnisse zeigt sich fast gar keine Kundschaft aus dem Innern des Landes am hiesigen Platze. Via Saloniki kommt Wäre aus Amerika, England und Frankreich in grosser Menge in Nisch an, weshalb sich der Handel mehr nach Nisch als nach Belgrad zieht. Die Amerikaner haben Ware im Werte von 10-11 Millionen Francs, teils in Saloniki, teils in Nisch liegend. In Anbetracht, dass sich Wilson an der Pariser Konferenz für die jugoslavische Sache sehr einsetzte, kommt man den Amerikanern in der Weise entgegen, dass der Finanzminister ihren Käufern Checks auf Paris abgibt und dadurch den Verkauf ihrer Waren zu erleichtern sucht. Da die Ware aber in Qualität und Genre gar nicht dem hiesigen Bedarf entspricht, konnte bis jetzt absolut nichts verkauft werden. In diesem Transporte befindet sich u. a. auch eine grosse Partie Schuhe, und obschon deren Preis billig ist, wird es doch schwer halten, dafür Käufer zu finden, indem sie minderwertiger Qualität sind.
Solange die Eisenbahnen in Serbien selbst nicht regelmässig verkehren, ist man mehr auf die Kundschaft in Croatien, Slovenien und Bosnien angewiesen. Der Bedarf dieser Länder ist ganz bedeutend, und dürfte es sich schon jetzt lohnen, ihnen die grösste Aufmerksamkeit zu widmen. Infolge der grossen Umwälzung in Südslavien müssen sich die Kaufleute dieser Gebiete, die früher von Österreich-Ungarn abhängig waren, neue Bezugsquellen sichern; das nächstliegende Land wäre für sie wohl die Schweiz und Alle, die hier bereits vorsprachen, möchten sehr gerne dorten Einkäufe machen und Beziehungen anknüpfen, schrecken aber vor den Formalitäten der Eintrittsgesuche darum zurück, weil es 5-6 und mehr Wochen dauert, bis die Bewilligung hier eintrifft. Es vergeht kein Tag, wo nicht 4-5 dieser Kaufleute notgedrungen nach Frankreich und England reisen, was für die schweizerische Industrie ein ganz bedeutender Verlust bedeutet, denn ein jeder kauft doch für wenigstens 50000 Franken ein, dann sind aber auch solche darunter, die 300000 Franken und mehr in Frankreich und England lassen. Es ist dies um so bedauerlicher, als es später schwer sein wird, sie von den neu angeknüpften Verbindungen abzubringen und sie für den schweizerischen Markt zu gewinnen.
Einige Exporteure haben inzwischen die Ausfuhrbewilligung für die Schweiz für Zwetschgen und Eier bekommen, mussten sich aber verpflichten, den Erlös bei der Société des Banques Suisses in Genf zu Gunsten und freien Verfügung der serbischen Délégation Financière in Genf zu halten, bez. zu erlegen. Den betreffenden Exporteuren wird dann der Gegenwert hier in Dinar oder Kronen ausbezahlt. Nachdem das hiesige Finanzministerium Checks nur für französische Waren abgibt, wäre es wohl gerecht, wenn das Geld für in der Schweiz verkaufte Ware auch nur für einen Einkauf von Schweizerware verwendet werden und nicht ohne weiteres aus dem Lande gehen dürfte. Wenn dies durchgeführt werden könnte, wäre es dann auch viel leichter, die Schweizerware hier zu verkaufen, da man erstens nicht mehr von der Banque Franco-Serbe abhängig wäre und zweitens würde sich die Ware billiger stellen, indem der Kurs wohl kaum höher als 145-150 zu stehen käme.
- 1
- Lettre (Copie): EVD Zentrale 1914-1918/13-141. Serbenzug. Verkauf der Waren. Paraphe: KW.↩