Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 108
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#103* | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 20 (1919–1919) |
dodis.ch/43853La Légation de Suisse à Berlin à la Division des Affaires étrangères du Département politique1
Zur Befreiung vom terroristischen Druck sind seit vorgestern 5 Divisionen in Berlin einmarschiert. In einem Erlass an die Bevölkerung erklärt Noske, dass diese Divisionen hauptsächlich zur Sicherung von Personen und Eigentum, sowie zur Freiheit der Presse und zur ungehinderten Ausübung der Wahlen zur Nationalversammlung dienen sollen. Mit diesen Truppen wird seit gestern unter Mithilfe der Polizei Berlin systematisch entwaffnet, indem Hausdurchsuchungen vorgenommen werden. Noske will mit allen Mitteln den Spartakus-Terror unterdrücken und man hofft, dass dadurch die Reichsregierung gefestigt werde. Gestern Nacht wurde Liebknecht, der mit Rosa Luxemburg verhaftet wurde, bei einem Fluchtversuch von den Wachtmannschaften erschossen. Bei der Überführung ins Gefängnis ist Rosa Luxemburg von der Menge buchstäblich gelyncht worden. Heute ist überall eine merkbare Entspannung zu verzeichnen. Aus Ober-Schlesien werden dagegen schwere Spartakus-Ausschreitungen gemeldet. Vom Essen er Arbeiter- und Soldaten-Rat ist die zwangsweise Sozialisierung des Bergbaues angeordnet worden und die Aufsicht über den Betrieb der Bergwerksprodukte der rheinisch-westfählischen Kohlenbergwerke, sowie über die Förderung sind von demselben übernommen worden. Das Vordringen der bolschevistischen Armee gegen die deutsche Grenze, die bereits Mittau eingenommen haben, ist sehr beunruhigend. Der Plan der Bolschevisten geht dahin, bis zur deutschen Grenze vorzudringen, um sich dort mit den deutschen Spartakisten zu vereinigen. Der Vormarsch der Polen gegen die Mark ist ebenfalls sehr beunruhigend, und bedeutet für Berlin und das übrige Reich eine grosse Gefahr wegen der Absperrung der Kohlenzufuhren aus Ober-Schlesien. Die Polen sollen die Absicht haben, den wichtigen Oder-Hafen Tschichertzig, welcher mit Krananlagen versehen ist, in Besitz zu nehmen und zu behalten.
Eine zuverlässige Meldung über die Lage in der Ukraine sagt, dass dort ein Direktor-Präsidium regiere und dass es gegen die Don-Armee, ferner gegen eine freiwillige russische Armee monarchistischer Partei und gegen die Entente Krieg führe. Von den Bolschevisten wurde dies benutzt um in die Ukraine einzumarschieren, die nun halbwegs Charkow-Kiew stehen. Die in Jekaterinoslaw ansässigen 9 Schweizer sind alle von dort weggereist.
In Bremen, wo die wirtschaftliche und politische Macht als Gewaltherrschaft durch proletarische Räte-Regierung ausgeübt wird, sind heftige Strassenkämpfe entbrannt.
Auf der gestrigen Sonderkonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte hat Eisner proklamiert, dass auch nach der Einberufung der Nationalversammlung die Räte mitbestimmender Faktor der Regierung bleiben sollen. Eisner gab deutlich zu verstehen, dass er von einem Koalitions-Ministerium wie sich solches aus den Wahlen ergeben könnte, nichts wissen will und hat betont, dass er mit Zentrumsleuten und mit Liberalen nicht in der Lage sei, in der Regierung zu sitzen.
..?.. will von hiesiger spartakistischer Seite gehört haben, dass die gesamte bolschevistische Propaganda in der Schweiz bei Emil Platen in Zürich zusammen laufe. Es ist nicht festgestellt, ob dieser mit Nationalrat Fritz Platten identisch ist.
Die Bedingungen Fochs für eine Verlängerung des Waffenstillstandes sollen von der Waffenstillstands-Kommission angenommen worden sein. In höheren politischen Kreisen soll die Tötung Liebknechts und Rosa Luxemburgs missbilligt werden. Bei den demnächst stattfindenden Wahlen befürchtet man einen grossen Stimmenzuwachs für die Spartakisten.
- 1
- (Copie de réception): E 2300 Berlin, Archiv-Nr. 20/1.↩
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