Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 346
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#904* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 137 | |
Dossier title | Verhandlungen usw. betr. Warenlieferungen aus den USA an die Schweiz sowie Transportfragen seit Kriegseintritt der USA (Embargo) (1917–1918) | |
File reference archive | B.277.3 |
dodis.ch/43621
Le Ministre de Suisse à Washington, H. Sulzer, à la Division des Affaires étrangères du Département politique1
Der Abgeordnete des Lebensmittelamtes, der mit den Arbeiten betreffend die Schweiz beauftragt ist, Dr. Taylor, hat mir am 27. vorigen Monats den Entwurf für ein einjähriges (?) Abkommen, geltend vom 1. Oktober 1917 an, übermittelt, das zwischen Amerika und der Schweiz betreffend die Ausfuhr von Waren nach der Schweiz abgeschlossen werden sollte. Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, werden von der Washingtoner Regierung die Kontingente der S.S.S. anerkannt. Von dieser Anerkennung werden allerdings einige Ausnahmen gemacht, unter denen sich auch Weizen befindet. Amerika ist bereit, im Umfang dieser Mengen diejenigen Waren zu liefern, die die Schweiz bis anhin aus den Vereinigten Staaten bezogen hat, mit Ausnahme derjenigen Waren, deren Export wegen dringenden Bedarfs im eigenen Lande vorübergehend oder für immer untersagt ist. Unter diesen letztem befindet sich bedauerlicherweise auch Schmalz. Im Hinblick auf die Verwendung der aus Amerika bezogenen Waren sind im Entwurf erhebliche Einschränkungen gegenüber dem Abkommen mit der Entente vorgesehen. Die Unterhandlungen, die die letzte Woche geführt worden sind, haben aber erkennen lassen, dass Bereitwilligkeit vorhanden ist, auf Konzessionen einzugehen. Der heutige Stand der Angelegenheit lässt sich folgendermassen skizzieren: Am schwierigsten zu lösen wird die Baumwollfrage sein, denn hier steht die hiesige Regierung auf dem Standpunkt, dass jede Wiederausfuhr der Baumwolle, in welcher Form es auch sei, aus der Schweiz nicht nur nach den Zentralmächten, sondern auch nach den neutralen Ländern im Norden, weil keine genügenden Garantien gegeben werden können, absolut verboten werde.
An den Verhandlungen über diese Frage nimmt auch Herr Nationalrat Syz teil. In bezug auf die ändern Punkte ist die Hoffnung vorhanden, dass die Regierung die Ausnahmen, die in Art. 10 und 12 des «Règlement Intérieur de la S.S.S.» enthalten sind, annehme. Immerhin sollen die Lederwaren auf Kinderschuhe beschränkt werden und die Schweiz ein Ausfuhrverbot für schweizerische Häute und Leder erlassen. Die gegenwärtig in Kraft stehenden Sonderabkommen mit der Entente in bezug auf Kondensmilch, Schokolade, Käse und Vieh werden ebenfalls von der hiesigen Regierung anerkannt. Die Abgabe von Getreide und Viehfutter wird nur unter der Bedingung gestattet, dass ein absolutes Ausfuhrverbot für Getreide, Viehfutter und Fleischkonserven schweizerischer Herkunft nach den Mittelmächten sowohl als nach den nördlichen Neutralen aufgestellt werde. Des fernem wird die Forderung eines absoluten Ausfuhrverbotes für Fette und Öle gestellt, die aus den Vereinigten Staaten bezogen worden sind. Nach dem Entwurf wäre auch die Verwendung von amerikanischen Maschinen, deren Teilen, Ölen und Schmiedestücken in denjenigen Fabriken verboten, die für die Feinde Amerikas arbeiten. Auf meine Intervention hin scheint die Regierung aber geneigt zu sein, genanntes Verbot, wie dies im Abkommen mit Deutschland betreffend Lieferung von Kohle geschehen ist, auf die Herstellung von Munition, Sprengstoffen und Waffen zu beschränken. Wenn immer möglich, sollte diese Formel Ihrerseits genehmigt werden. Herr Marcuard, der am 14. dieses Monats Amerika auf dem Dampfer «St. Louis» verlässt, um sich über Liverpool nach der Schweiz zu begeben, wird Ihnen über diese Frage mündlich berichten, während ein schriftlicher Bericht unsererseits mit dem nächsten Kurier folgen wird. Angesichts des Umstandes, dass die Verhandlungen nicht auf telegraphischem Wege geführt und erledigt werden können und sich der Abschluss des Abkommens längere Zeit hinausschieben wird, habe ich an die hiesige Regierung das Gesuch gestellt, sie möchten die Ausfuhr nach der Schweiz sofort wieder zulassen und sie möchte anderseits die Ausfuhrgesuche für die laufenden Bedürfnisse der Schweiz genehmigen. Eine Antwort habe ich noch nicht erhalten, doch steht sie in bejahendem Sinne in Aussicht. Nächsten Mittwoch sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.
Im Laufe der Unterhandlungen habe ich auf die immer grösser werdenden Schwierigkeiten für den Transport aufmerksam gemacht und die Regierung angefragt, ob sie geneigt sei, der Schweiz mit Schiffsraum auszuhelfen, um ihr zu ermöglichen, die absolut notwendigen Lebensmittel nach Europa zu bringen. Von Dr. Taylor ist mir in Aussicht gestellt worden, dass uns nach Kräften geholfen werde; er scheint zudem bereit zu sein, in das abzuschliessende Abkommen eine diese Frage bezügliche Bestimmung aufzunehmen. Im Hinblick auf die sehr freundschaftliche Gesinnung, die sich der Schweiz gegenüber überall zeigt, habe ich grosse Zuversicht auf eine befriedigende Entwicklung der Dinge, insofern es möglich ist, die Baumwollfrage einer befriedigenden Lösung entgegenzuführen.
Ich möchte Sie bitten, Vorstehendes als streng konfidentiell zu behandeln, namentlich soweit es sich auf den entgegenkommenden Standpunkt bezieht, den die Regierung in Washington im Hinblick auf den Export von Lebensmitteln schweizerischer Herkunft nach den Amerika feindlichen Mächten einnimmt. Trotz der freundschaftlichen Gesinnung, die sich in der Presse zeigt, ist diese für den genannten Standpunkt gegenwärtig noch nicht reif. Ein Bekanntwerden im gegenwärtigen Augenblick der Unterhandlungen könnte die hiesige Regierung in eine unangenehme Lage bringen, Rückschläge provozieren und zu unerwünschten Erörterungen Anlass geben. Ich möchte Ihnen auch zu erwägen geben, dass die amerikanische Regierung von der Presse in hohem Masse beeinflusst wird. Ich ersuche Sie daher dringend, eine Veröffentlichung so lange nicht zuzulassen, als ich mich betreffend deren Art, Umfang und Zeitpunkt nicht mit der amerikanischen Regierung besprochen und Ihnen berichtet habe. Über die Verhandlungen werde ich wieder berichten.
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- (Copie de réception): E 2001, Archiv-Nr. 911.↩
Tags
Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)