Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 155
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1005#1000/16#2* | |
Old classification | CH-BAR E 1005(-)1000/16 1 | |
Dossier title | Protokolle des Bundesrates, Geheimprotokolle (Minuten und Originale) 1915 (1915–1915) | |
File reference archive | 4.5 |
dodis.ch/43430 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 5 octobre 19151 Neutralität Savoyens
Procès-verbal de la séance du 5 octobre 19151
Nachdem Italien in den Krieg getreten war, hat das Politische Departement die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass Truppen oder Kriegsmaterial von Frankreich nach Italien oder umgekehrt von Italien nach Frankreich transportiert und für diese Transporte die Mont-Cenis-Bahn benützt werden könnte. Für diesen Fall musste untersucht werden, ob eine solche Benützung eine Verletzung der Neutralität Savoyens bedeuten würde und wenn ja, ob es ratsam sein würde, gegen eine solche Verletzung sich zu verwahren oder vorsorglich auf die Vermeidung derselben hinzuwirken.
Die Frage ist deshalb nicht so einfach, als sie scheinen möchte, weil der Tatbestand, ob die Mont-Cenis-Bahn mit einem Teil der Linie in der neutralen Zone liegt, nicht feststeht. Die Ausdrucksweise in den Verträgen ist nicht eindeutig. Der Chef des Generalstabs hat in seinem bekannten Mémoire dahin geschlossen, dass die Mont-Cenis-Strasse jedenfalls nicht im neutralisierten Gebiete liege und dass es sich empfehle, auch die Eisenbahnlinie in ihrer ganzen Ausdehnung als nicht dazu gehörig zu betrachten. Das letztere ist indessen nur möglich, wenn man den Buchstaben des Vertrages auf die Seite setzt.
Das Politische Departement hat der Gesandtschaft in Paris seine Ansicht mitgeteilt, aus ihrer Antwort indessen entnommen, dass Herr Lardy Bedenken hat, die Frage aufzuwerfen, ob die französische Regierung nicht einwilligen könnte, allfällige Truppen- oder Kriegsmaterial-Transporte über Grenoble zu leiten und damit die Mont-Cenis-Bahn längs des Lac du Bourget beiseite zu lassen. Das Politische Departement hält die bezüglichen Bemerkungen des Herrn Lardy für zutreffend. In einer spätem mündlichen Erörterung hat sich diese Auffassung, dass es in der Tat zu heikel wäre, diese Frage aufzurollen, noch bestätigt.
Nun wird aber, nachdem Monate lang jeder Truppentransport Italien-Frankreich oder Frankreich-Italien ausgeschlossen schien, die Frage neuerdings aktuell. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Italien während der Dauer des Winterfeldzuges, wo es den Gebirgskrieg aufgeben muss, Verstärkungen nach Frankreich schicken könnte. Das Politische Departement wünscht daher, die Auffassung des Bundesrates kennenzulernen, ob er einer Diskussion der angeregten Frage mit Frankreich aus dem Wege gehen und es darauf ankommen lassen will, dass eventuell durch Benützung der kritischen Bahnstrecke nach schweizerischer Auslegung der Verträge eine Neutralitätsverletzung begangen werde, oder ob er vorzieht, dass Herr Lardy in passender Weise eine Anregung mache, man möge durch Umleitung der Transporte über Grenoble jeder möglichen Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Regierungen über die Tragweite der vertraglichen Bestimmungen die Spitze abbrechen.
Die Frage der savoyischen Neutralität wird den Bundesrat, wie das Politische Departement voraussetzt, aller Voraussicht nach auch noch später beschäftigen. Das Departement hat bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass Frankreich in dem für die dortige Regierung feststehenden Falle eines siegreichen Ausgangs des Krieges in den Friedensverhandlungen beanspruchen wird, dass die Schweiz auf das Recht der Okkupation des neutralisierten Savoyens gegen Kompensationen zu verzichten habe. Es wird sich empfehlen, die Haltung des Bundesrates rechtzeitig zu erwägen, die einem solchen Begehren gegenüber eingenommen werden sollte.
Für einmal regt das Politische Departement an, dass betreffend eventueller Benützung der Mont-Cenis-Bahn durch Truppentransporte zur Zeit keine Schritte zu unternehmen seien.
Der Bundesrat schliesst sich der Auffassung des Departementes an.
- 1
- E 1005 2/1. Etait absent: E. Schulthess.↩
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