Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutsches Reich
6.6. Kaisermanöver
Darin: Der Kaiser lobt die schweizerische Kriegstüchtigkeit und weist auf die Verbundenheit beider Länder hin. Annex vom 6.9.1912
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 5, Dok. 327
volume linkBern 1983
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001A#1000/45#95* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(A)1000/45 50 | |
Dossiertitel | Nr. 95. Staatsbesuch von Kaiser Wilhelm II., 1912: Organisation, Allgemeines (1908–1914) | |
Aktenzeichen Archiv | B.121.21-05 |
dodis.ch/43182
Eure kaiserliche Majestät
heisse ich im Namen des Bundesrates in der Bundesstadt ehrerbietig und herzlich willkommen. Als uns der Herr deutsche Gesandte zu Anfang dieses Jahres Ihren Besuch ankündigte, nahmen wir diese Eröffnung mit grösster Freude über die uns zu Teil werdende sehr hohe Ehre entgegen und verbanden damit den Ausdruck unserer Gewissheit, dass das gesamte Schweizervolk in diesem Gefühle mit uns einig gehe. Eure Majestät werden sich, seitdem Sie letzten Dienstag in unserer Grenzstadt Basel den Schweizerboden betraten, davon überzeugt haben, dass Ihr hoher Besuch für unser Land eine eigentliche Feier bedeutet.
Wir erfreuen uns ungetrübt freundschaftlicher Beziehungen zu allen unsern Nachbarstaaten. Diejenigen mit dem deutschen Reich sind die umfangreichsten. Der gegenseitige Austausch von ideellen und materiellen Gütern zwischen Deutschland und der Schweiz ist in dem Masse bedeutend, dass wir das allergrösste Gewicht auf dessen Fortdauer und Entwicklung, auf der Grundlage der Gleichberechtigung, legen. Das erste Mal seit der Durchreise im Jahre 1893 weilt das kaiserliche Oberhaupt des deutschen Reiches wiederum unter uns, und wir erblicken in diesem glücklichen Ereignis einen zuverlässigen Beweis dafür, dass auch deutscherseits der entschiedene Wille besteht, die Bande der Freundschaft mit uns immer enger zu knüpfen. Hiefür und insbesondere für die überaus freundliche Gesinnung, die Eure Majestät bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die Schweiz an den Tag legen, sprechen wir hiemit bei dem heutigen feierlichen Anlass unsern tiefgefühlten Dank aus.
Insbesondere erfüllt es uns mit Genugtuung, dass Eure Majestät unserem Wehrwesen ein so sympathisches Interesse entgegenbringen. Wir besitzen den bestimmten Vorsatz, unsere Unabhängigkeit gegenüber jedem Angriffe auf dieses unser höchstes Gut zu schützen und unsere Neutralität gegenüber Jedem, der sie nicht respektiert, zu wahren.
Ein notwendiges und zweckdienliches Mittel hiezu bildet eine tüchtige und schlagfertige Armee. Uns eine solche zu sichern, ist eine unserer vornehmsten Staatsaufgaben, für deren Erfüllung wir alle unsere Kräfte einsetzen. Unsere Geschichte, unsere Staatsform und unsere gesellschaftliche Organisation weisen uns darauf hin, dass wir uns hiefür des Milizsystems bedienen. Wir sind uns der Licht- und Schattenseiten desselben bewusst. Wir anerkennen dankbar jede, auch die herbe Kritik, die vom kompetenter Seite an unserem Wehrwesen geübt wird und sind bestrebt, bestehende Mängel zu heben. Das Schweizervolk weiss die Tatsache in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen, dass der oberste Kriegsherr des deutschen Reiches unsere Manöver mit seiner Anwesenheit beehrt und mit der grössten Aufmerksamkeit verfolgt hat.
Wir dürfen uns wohl der Hoffnung hingeben, dass der mehrtägige Aufenthalt Eurer Majestät in unserem Lande, wie uns zur Freude und Ehre, so auch Ihnen zur Erholung von der gewohnten strengen Erfüllung Ihrer Herrscherpflichten gereiche. Damit verbinden wir die Bitte, unserer Republik Ihre Freundschaft und Ihrem gegenwärtigen Verweilen in der Schweiz eine angenehme Erinnerung zu bewahren.
Mit dem innigen Wunsche, es möge das befreundete Nachbarreich unter dem Szepter seines Kaisers, unseres erhabenen Gastes, auch fürderhin blühen und gedeihen, trinke ich auf das Wohl Eurer Majestät, der kaiserlichen Familie, der deutschen Regierung und des deutschen Volkes2.
- 1
- E 2001 (A), Archiv-Nr. 95.↩
- 2
- Zur Rede des Kaisers siehe Annex. Zum Kaiserbesuch meinte Forrer vor den in Bern alljährlich versammelten schweizerischen Diplomaten: Unmittelbare Folge des Besuches von Herrn Fallières vor zwei Jahren. Die Deutschen wollten nun nicht länger Zurückbleiben. Er ist sehr günstig verlaufen und wurde glücklicherweise durch keinen Zwischenfall gestört. Gewaltiger Herrscher und bedeutender Mensch. Von Interesse, ihn näher kennen zu lernen. Für die Schweiz nur vorteilhaft. Bevölkerung tadellos benommen, war republikanisch würdig. Wenn Schweizer Künstler und Poeten sovielen Sinn zur Schau trugen, dürfen wir das nicht dem gesamten Volk aufs Kerbholz schreiben (Zentralbibliothek Zürich MS II 69.4 Nr. 5).↩
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