Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 5, Dok. 250
volume linkBern 1983
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E14#1000/39#287* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 14(-)1000/39 44 | |
Dossiertitel | Antworten des Bundesrates auf Noten der belgischen Gesandtschaft; Organisation der Schweizer Beteiligung auf privatem Wege (1906–1910) |
dodis.ch/43105
Antrag des Vorstehers des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, J. Schobinger, an den Bundesrat1
Der Bundesrat wurde am 29. November 1907 von der belgischen Gesandtschaft in Bern zur Beteiligung an der im nächsten Jahre in Brüssel stattfindenden Weltausstellung eingeladen.
Das Handelsdepartement ersuchte zunächst den Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins, den Schweizerischen Gewerbe verein und den Schweizerischen Bauernverband um Begutachtung und erhielt von diesen Organen die Mitteilung, dass nach den angestellten Erhebungen eine offizielle Beteiligung der Schweiz nicht zu empfehlen sei.
Unser Generalkonsul in Brüssel, der hievon benachrichtigt wurde und sich schon früher für die Bildung einer offiziellen schweizerischen Sektion ausgesprochen hatte, verwendete sich dafür, dass in Anbetracht der allgemeinen kommerziellen Bedeutung Belgiens wenigstens eine private schweizerische Ausstellungsgruppe organisiert werde. Herr Nationalrat Ador, als gewesener schweizerischer Generalkommissär für die Weltausstellung in Paris, äusserte sich am 3. November 1908 auf Befragen des Handelsdepartementes insofern in günstigem Sinne, als er es als wünschenswert bezeichnete, dass diejenigen Industriezweige, welche an der Ausstellung in Brüssel ein praktisches Interesse haben, nicht wie bei frühem belgischen Ausstellungen sich selbst überlassen, sondern offiziell organisiert werden.
Die inzwischen geschaffene schweizerische Zentralstelle für das Ausstellungswesen befasste sich mit der Angelegenheit gleich nach ihrer am 21. November vor. Jahres erfolgten Konstituierung. Eine von ihr nach Brüssel abgeordnete Delegation überzeugte sich davon, dass die Ausstellung bedeutende Dimensionen annehmen werde und dass namentlich Deutschland und Frankreich sich zu einer grossartigen Beteiligung rüsten. Sie kam daher zu dem Schlüsse, dass sich eine offizielle Beteiligung der Schweiz mit beschränkter Auswahl der Industrien empfehle. Bei der Beratung im Schosse der Zentralstelle traten jedoch Bedenken zutage, einerseits besonders deswegen, weil die Platzmiete in der allgemeinen Ausstellungshalle ausserordentlich hoch ist, und wir mit beträchtlichen Kosten einen besondern Pavillon erstellen müssten; anderseits im Hinblick darauf, dass im Jahr 1911 zur 50jährigen Jubiläumsfeier des Königreichs Italien eine Weltausstellung in Turin stattfinden wird, an der die Schweiz als Nachbarstaat nicht wird fehlen dürfen, und dass ausser dem unsere Kräfte auch für die Landesausstellung in Bern in ausserordentlicher Weise werden in Anspruch genommen werden. Die Zentralstelle beschloss, vorderhand eine neue Enquete zu veranstalten, um genau zu ermitteln, welche einzelnen Industriellen und Industriegruppen ausstellen wollen, mittlerweile in Brüssel unverbindlich den nötigen Platz zu belegen, für den Fall, dass eine grössere schweizerische Sektion zustande kommen sollte.
Über das Resultat der Enquete berichtet nun die Zentralstelle in einer vom 6. dies datierten Eingabe an den Bundesrat. Danach haben alle unsere grossen Textilindustrien abgelehnt; ebenso die chemische Industrie, die Bijouterie, ferner auch die Bundesbahnen. Mehr oder weniger bestimmte Zusagen liegen im wesentlichen nur vor von einer Anzahl Maschinenfabriken (worunter Brown, Boveri & Cie. und Gebrüder Sulzer), Metallwarenfabriken, einer Gruppe von Uhrenindustriellen, zwei Fabriken von kondensierter Milch, zwei Chocoladefabriken, zwei Spiritusfabriken, einigen Vertretern der graphischen Industrie, ferner von der Holzschnitzerei und von der Töpferschule in Steffisburg.
Da sich für die Ausstellung ein so geringes Interesse kundgibt, gelangte die Zentralstelle zu folgenden Beschlüssen:
1. Von einer offiziellen Beteiligung der Schweiz an der internationalen Ausstellung in Brüssel 1910 sei abzusehen.
2. Ein eigener Pavillon sei nicht zu errichten.
3. Für die angemeldeten Aussteller sei entsprechend Platz in den für ausländische Staaten reservierten Hallen zu mieten.
4. Die Zentralstelle habe für die Aussteller in Brüssel den Verkehr mit den Ausstellungsbehörden, die allgemeine Organisation und die allgemeine Dekoration zu besorgen.
5. Der Bund sei um eine entsprechende Subvention und zugleich um einen Zuschuss an die Beiträge derjenigen Kantone oder sonstigen Subvenienten zu ersuchen, die von sich aus die Aussteller in Brüssel unterstützen; die bezüglichen Gesuche der Kantone etc. seien direkt an den Bundesrat zu richten.
[...]2Wir beantragen: Es sei der Zentralstelle per Bundeskanzlei mitzuteilen, dass der Bundesrat ihre Anträge 1-4 genehmigt habe und der Bundesversammlung deshalb empfehlen werde, ihr einen Kredit bis zum Betrag von Fr. 35.000.- im genannten Sinne zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich Ziffer 5 ihrer Anträge müsse jedoch der Bundesrat sich angesichts der eidgenössischen Finanzlage und der ändern Ausstellungsunternehmungen (Turin und Landesausstellung), die den Bundesfiskus in Bälde in grösserem Masse in Anspruch nehmen werden, ablehnend verhalten. Der Bundesrat sei der Ansicht, dass die Übernahme der Organisation und Dekoration durch den Bund sich auch hinsichtlich der allfälligen Spezialausstellungen der Uhrenindustrie, Schnitzlerei etc. als eine genügende Leistung darstelle, der gegenüber es als gerechtfertigt erscheine, dass die nötigen anderweitigen Beiträge an die Kosten spezieller Ausstellungsgruppen von den Kantonen allein übernommen werden3.
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