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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 204
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9914* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 18.10.-21.10.1907 (1907–1907) |
dodis.ch/43059 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 18. Oktober 19071 5383. Haager Konferenz
Aus dem vorgelegten Berichte der schweizer. Delegation im Haag2 ergibt sich, dass die Bevollmächtigten der an der Haager Konferenz vertretenen Staaten, bevor sie auseinander gehen, ein Schlussprotokoll unterzeichnen werden. Dagegen bleibt es den Regierungen unbenommen, die verschiedenen Vereinbarungen später zu unterzeichnen. Zu diesem Zwecke soll das Protokoll bis zum 30. Juni 1908 offen bleiben.
Es entsteht daher die Frage, ob die Schweiz schon in der Schlussitzung sämtliche oder einzelne Übereinkünfte, oder vorläufig nur das Schlussprotokoll unterzeichnen soll.
Das politische Departement bemerkt unter anderm in seinem Berichte an den Bundesrat:
«Bei diesem Anlass möchten wir noch einen Punkt berühren.
Der vom Redaktionskomitee ausgearbeitete Entwurf einer Übereinkunft, welche für gewisse Fälle das unbedingt obligatorische Schiedsgericht einführte, ist in der Kommission von neun Staaten, darunter Deutschland, Österreich-Ungarn, die Schweiz und Belgien, verworfen worden; sie ist daher nach den bestehenden Grundsätzen als dahingefallen anzusehen.
Dagegen hat die Kommission eine Resolution angenommen, welche angeblich das Ergebnis der Konferenzberatungen feststellt.
Diese Resolution konstatiert, dass die Kommission einmütig das Prinzip der obligatorischen Schiedssprechung anerkannt hat und ebenso einmütig der Ansicht ist, dass die verbindliche Schiedssprechung auf gewissen Gebieten, namentlich für die Auslegung von Staatsverträgen, ohne jeden Vorbehalt anwendbar ist. Sie konstatiert ferner, dass in der viermonatlichen gemeinsamen Arbeit der Vertreter aller Staaten die Ansichten sich geklärt haben und dass sich ein starkes Empfinden für die Gemeinsamkeit der Interessen der Völker gezeigt hat.
Wie Sie dem beiliegenden Bericht unserer Delegation vom 14. dies3 entnehmen, ist diese Resolution in der Sitzung vom 11. dies mit allen Stimmen, die der Schweiz inbegriffen, bei vier Enthaltungen (Vereinigte Staaten, Japan, Türkei und Haiti) angenommen worden.
Unsere Delegation hat dafür gestimmt, ohne unsere Instruktionen eingeholt zu haben. Sie rechtfertigt dieses ihr Vorgehen damit, dass die Resolution harmlos (anodine) sei und dass auch die Staaten, welche die obligatorische Schiedssprechung bekämpft (Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien und Rumänien), derselben zugestimmt haben.
Demgegenüber müssen wir feststellen, dass die Instruktionen des Bundesrates stets und konsequent dahin gelautet haben, die Schweiz könne eine verbindliche Schiedssprechung ohne den Vorbehalt der Lebensinteressen, der Ehre und der Unabhängigkeit des Landes nicht anerkennen. Der Wortlaut der von unserer Delegation auf eigene Faust hin angenommenen Resolution steht also in direktem Widerspruch mit Ihren Instruktionen.
Diese Resolution ist überdies nicht so harmlos, wie die schweizerische Delegation behauptet, denn später, wenn die Frage wieder aufs Tapet gebracht werden wird, wird man uns entgegenhalten, dass wir dem Prinzip der obligatorischen Schiedssprechung zugestimmt und anerkannt haben, dass es Materien gibt, welche sich dazu eignen, ohne Einschränkung einem Schiedsgericht unterbreitet zu werden. Mit der Annahme der Resolution haben unsere Delegierten den prinzipiellen Standpunkt, den der Bundesrat angenommen hatte, preisgegeben.
Wir bedauern, uns vor ein «fait accompli» gestellt zu sehen.
Die Sache soll noch vor die Plenarkommission kommen, und wir müssen es Ihnen überlassen, zu entscheiden, ob unsere Delegation anzuweisen sei, bei Unterzeichnung des Schlussprotokolles mit Bezug auf die erwähnte Resolution einen Vorbehalt zu machen.»
Der Schweizerische Bundesrat,
nach gewalteter Diskussion,
1.) beschliesst, die Delegation anzuweisen, nur das Schlussprotokoll (und zwar mit der Reserve, dass der Bundesrat den Wunsch betreffend das ständige Schiedsgericht nicht annimmt)4 und keine Konvention zu unterzeichnen; es wird daher folgendes Telegramm an die schweizerische Delegation gerichtet:
«Reçu votre télégramme. La Suisse a combattu toute proposition tendant à créer un tribunal d’arbitrage permanent. Aussi ne peut-elle souscrire au vœu concernant l’institution de ce tribunal.
Vous ne signerez donc acte final qu’avec cette réserve, à consigner au procèsverbal, que le Conseil fédéral n’accepte pas le vœu relatif au tribunal permanent5.
Vous ne signerez aucune convention.» (Département politique).
2.) konstatiert, dass die Delegation die Resolution vom 11. dies, welche in direktem Widerspruch mit den früheren und allgemeinen Instruktionen steht, ohne weitere Instruktionen des Bundesrates einzuholen, unterzeichnet hat;
3.) bedauert, indem die Zeit fehlt, um auf die Sache nützlich vor der Plenarsitzung der Konferenz, welche heute stattfindet, zurückkommen zu können, dass die Delegation den Bundesrat vor ein «fait accompli» gestellt hat;
4.) ladet das politische Departement ein, den Entwurf eines Schreibens an die Delegation vorzulegen, in dem der Bundesrat seiner Unzufriedenheit über das Vorgehen der Delegation Ausdruck gibt.
- 1
- E 1004 1/230. Abwesend: Deucher, Ruchet, Zemp.↩
- 2
- Bericht Nr. 506 vom 12. Oktober 1907 (E 2001 (A), Archiv-Nr. 479).↩
- 3
- Es muss sich um den Bericht Nr. 505 vom 12. Oktober 1907 handeln (E 2001 (A), Archiv-Nr. 479).↩
- 4
- Dieser Wunsch der Konferenz lautet: La Conférence recommande aux Puissances signataires l’adoption du projet ci-annexé de Convention pour l’établissement d’une Cour de Justice arbitrale, et sa mise en vigueur dès qu’un accord sera intervenu sur le choix des juges et la constitution de la Cour. Text des erwähnten Konventionsentwurfes in: BBl 1909,1, S. 114ff.↩
- 5
- Der schweizerische Delegierte G. Carlin gab bereits in der Plenarsitzung vom 17. Oktober 1907 eine entsprechende Erklärung ab: J’ai l’honneur de faire remarquer que le vœu qui figure sous chiffre 1) n’a pas été voté à l’unanimité. Il y a eu plusieurs abstentions, parmi lesquelles celle de la Délégation de Suisse. Et puisque - contrairement aux précédents créés dans l’Acte final de 1899 - il n’est pas fait mention de cette circonstance à la suite du texte du vœu dont il s’agit, je tiens à ce qu’elle soit bien établie ici et je déclare que la Délégation de Suisse ne pourra signer l’Acte final que sous réserve de cette constatation, dont je demande l’insertion au procès-verbal de la présente séance (E 2001 (A), Archiv-Nr. 479). Text der Schlussakte in: AS 1910, NF 26, S. 250ff.↩
Tags
Hague Peace Conferences (1899 and 1907)