Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VI. EISENBAHNEN
1. Der Bau der Gotthardbahn
1.1. Finanzierung der Bahn und Verwendung der Baurestgelder
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 98
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#6081* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 15.03.1876 (1876–1876) |
dodis.ch/42077
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 15. März 18761
1478. Gotthardbahn, Finanzlage
Die Direktion der Gotthardbahn kommt mit Schreiben vom 3. d.2 der Einladung vom 3. Dezember 18753 nach, über die Finanzlage der Gotthardbahngesellschaft in einlässlicher Weise zu berichten, nachdem die hiefür nöthigen technischen Untersuchungen in den lezten Tagen zu Ende gediehen sind. Es ergiebt sich daraus, dass die Voranschläge, welche der Finanzirung der Gesellschaft zu Grunde gelegt waren, bei weitem zu niedrig sind und dass zur Vollendung des Werkes über die Voranschlagssumme von fcs. 187’000’000 an Aktien, Obligationen und Staatsbeiträgen weitere fcs. 102’370’500 aufzubringen sein werden.
An der Hand dieser Darlegung und der dazu gehörigen technischen Berichte ist vom Departement der Entwurf4 einer Mittheilung an die Regierungen von Italien und des deutschen Reichs ausgearbeitet und unterbreitet worden. Nach darüber gewalteter Berathung wird dieser Entwurf jedoch abgelehnt und der Erlass einer Kundgebung in anderer Fassung beschlossen, für welche wesentlich nach Vorschlag des Herrn Bundespräsidenten Welti folgende Gesichtspunkte als massgebend angenommen werden:
1. Die Gesellschaft, welche sich zur Ausführung der Gotthardeisenbahn auf Grund des internationalen Vertrags vom 15. Oktober 18695 gebildet hat, legte ihrem Finanzplan dieselbe Kostenberechnung zu Grunde, von welcher die internationale Konferenz beim Abschluss des genannten Vertrages ausgegangen ist.
2. Das Gesellschafts-Kapital wurde demnach in folgender Weise gebildet:
1. Aktien und Obligationen fcs. 102’000’000
2. Unterstüzungs-Kapital fcs. SS’OOO’OOO
fcs. 187’000’000
3. Nachdem die Gesellschaft den Bau des grossen Tunnels und der tessinischen Thalbahnen in Angriff genommen hatte, begann dieselbe mit der detaillirten Planaufnahme und Kostenberechnung für die Zufahrtslinien, um diese so frühzeitig zu beginnen, als es bei der vertragsmässig dafür ausgesezten Bauzeit nothwendig war.
4. Schon vor dem Abschluss dieser Vorarbeiten verlangte der Bundesrath von der Gesellschaft einen Bericht über das Resultat derselben und eine genaue Darstellung der gesammten Finanzlage.
5. Unterm 3. ds. sind die Gesellschaftsbehörden diesem Aufträge nachgekommen und es hält sich der Bundesrath verpflichtet, den Vertragsstaaten von der heutigen Sachlage ungesäumt Kenntnis zu geben.
6. Die Gesellschaft erklärt, dass nach den von ihr angeordneten technischen Untersuchungen und Berechnungen über die noch auszuführenden Linien und nach den Kosten der bereits erstellten Arbeiten das ihrem Finanzplan gemässe Gesellschaftsvermögen, sowie die damit übereinstimmenden Berechnungen der internationalen Konferenz auf durchaus irrthümlichen Voraussezungen beruhen, indem sich die Kosten der nach dem Vertrage auszuführenden Linien um die Summe von frs. 102’371’500 höher belaufen werden, als sie von der Konferenz und der Gesellschaft veranschlagt worden seien.
7. Bei dieser Sachlage ist unzweifelhaft, dass die Gesellschaft die nöthigen Mittel nicht besizt, um die ihr durch den internationalen Vertrag zugewiesene Aufgabe zu erfüllen und dass diese Mittel bei den jezigen Bestimmungen des Vertrags überhaupt nicht aufgebracht werden können.
8. Die Vollziehung des Vertrages selbst erscheint also in Frage gestellt und es findet sich der Bundesrath dadurch genöthigt, sich sofort an die mitkontrahirenden Staaten zu wenden und eine gemeinschaftliche Berathung der Sachlage und Verabredung der zu ergreifenden Massregeln zu beantragen.
9. So dringend auch ein solches Vorgehen angezeigt ist, indem eine längere Zögerung die Einstellung der Arbeiten und damit unersezlichen Schaden zur Folge haben würde, so kann der Bundesrath unter den heutigen Verhältnissen gleichwohl nur einen präparatorischen Schritt in Vorschlag bringen. Er hält nämlich dafür, dass bei der hohen Bedeutung der Sache, die von den betheiligten Staaten zu treffenden Verabredungen unmöglich auf die zur Zeit allein vorliegenden Berechnungen und Angaben der Ingenieure der Gesellschaft gegründet werden können, sondern dass jedem weitern Beschlüsse der Staaten eine eigene gemeinschaftliche Prüfung der von der Gesellschaft aufgestellten Kostenvoranschläge vorausgehen müsse.
10. Der Bundesrath wird seinerseits die nöthigen Anordnungen treffen, um die Mittel zu einer solchen Prüfung in möglichst vollständiger Weise zur Hand zu bringen und macht nun den Vorschlag, die Intervention der Vertragsstaaten damit zu beginnen, dass ein jeder derselben die ihm gutscheinende Anzahl von Sachverständigen zu einer Konferenz abordne, welche im Laufe des Monats April in Bern zusammentreten soll.
11. Diese Konferenz erhält den Auftrag, sowohl den jezigen Stand der Arbeiten als die Finanzlage der Gesellschaft nach allen Richtungen zu prüfen, wozu ihr der Bundesrath alle und jede Mittel verschaffen wird, als auch im Weitern die Kosten der noch auszuführenden Arbeiten zu ermitlen und überhaupt alle Faktoren festzustellen, die erforderlich sind um der sofort nach diesen Untersuchungen anzuordnenden Verhandlung und Vereinbarung unter den Staaten zur Grundlage zu dienen.
Des fernem ist beschlossen:
a. der Gotthardbahn den Empfang des Berichts zu bestätigen und von der Mittheilung an die Vertragsstaaten Kenntnis zu geben, mit dem Verdeuten, dass der Bundesrath keineswegs durch die Erwägungen, welche die Direktion in ihrer Zuschrift Seite 33 geltend mache, zu diesem Beschlüsse veranlasst worden sei, vielmehr sich Vorbehalte, zu geeigneter Zeit sich über dieselben auszusprechen und dass der Bundesrath ebensowenig einverstanden sei, es einfach als Sache der Vertragsstaaten zu betrachten, über das «Zustandekommen einer neuen Kombination» zu berathschlagen, sondern wünschen müsse, in der weitern Entschliessung von seiner Seite vorgängig die Vorschläge der Direktion über die Mittel und Wege zu erhalten, wie die finanziellen Mittel der Gesellschaft und der von ihr zu lösenden Aufgabe wieder ins Gleichgewicht gebracht werden können.
b. an die betheiligten Kantonsregierungen und die Direktionen der Nordostund der Centralbahn eine entsprechende Mittheilung abgehen zu lassen.
Die abschliessliche Feststellung der an die Vertragsstaaten zu machenden Eröffnungen wird nach Vorlage eines neuen Entwurfs erfolgen.6
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Railway Tunnels in the Alps Gotthard railway, Construction (1871–1886)