Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.12 FRANCE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 26
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#463* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 84 | |
Dossier title | Deutscher Krieg, 1866 (1866–1866) | |
File reference archive | B.264 |
dodis.ch/41559
Es freut mich, aus Ihrer verehrten, so eben erhaltenen Zuschrift2, womit Sie mir mittheilen, welche Direktionen Sie den Vertretern der Schweiz in Wien u. Florenz betreffend die künftige Haltung der Eidgenossenschaft ertheilten, entnehmen zu können, dass die Art und Weise wie ich mich in der Audienz bei Drouyn de L’Huys lezten Donnerstag ausgesprochen habe (cf Rapport v. 24. Mai)3, im vollständigsten Einklang ist mit den von Ihnen meinen Collegen ertheilten Instruktionen. Ich bemerke noch, dass ich schon 8 Tage früher beabsichtigte, ganz zu gleichem Zwecke u. in gleichem Sinn eine Audienz bei Drouyn de L’Huys zu verlangen u. nur darum dieselbe nicht schon damals ausführen konnte, weil am Donnerstag morgen (den 17ten d. M.) ein Circular vom Chef des Staatrats bei mir eintraf, mit der Anzeige, der Minister des Äusseren könne an diesem Tage keine Audienzen ertheilen. Es fanden damals gerade die Besprechungen statt mit den Ambassadoren v. Wien, London u. Berlin betreffend das Programm zur Conferenz. Meine Erklärung gegenüber Drouyn de L’Huys, nachdem ich ihm Anlass gegeben hatte, auch über die Neutralitätsfrage sich vernehmen zu lassen, ist fast wörtlich übereinstimmend mit Ihrer Instruktion v. 23. Mai1, indem ich nämlich demselben erwiederte nach Entgegennahme seiner Zusicherung: «Unter allen Umständen ist die Schweiz entschlossen, mit der grössten Entschiedenheit u. Opferbereitwilligkeit ihre völkerrechtliche Position nach jeder Seite hin zu wahren.»
Ich werde nun nicht ermangeln, Ihre seit Abgabe dieser Erklärung mir zugekommene Depesche4 an Steiger und Pioda ihrem ganzen Inhalte nach am ersten ordentlichen Audienztage Herrn Drouyn de L’Huys zur Kenntniss zu bringen. Ich halte es für sehr wichtig, auch Frankreich gegenüber von seiner mir gemachten Erklärung, dass es die Neutralität achten werde, etc gehörig Akt zu nehmen. Eine solche Zusicherung jezt, vor dem Ausbruche des Krieges, hat für uns um so mehr Bedeutung, weil sie von einer Macht kommt, deren Chef laut u. bei jedem Anlasse sich dahin ausspricht: «Les traités de 1815 sont déchirés, je les déteste» u.dgl.
Es schiene mir daher zweckmässig, wenn Sie mir eine Depesche schreiben würden, wesentlich dahin lautend: dass Sie mit Befriedigung von diesen Äusserungen (Zusicherungen) des Herr Drouyn de L’Huys betreffend die Achtung der Neutralität der Schweiz Kenntniss genommen haben u. eben so einverstanden seyen betreffend der Erwiederung bezüglich der Haltung, welche die Eidgenossenschaft im Fall eines Krieges einzunehmen entschlossen sey etc.. Die Depesche wäre so zu halten, dass ich solche Herrn Drouyn de L’Huys in ihrem ganzen Inhalte vorlesen könnte. Die Zusicherung von Drouyn de L’Huys in offizieller Stellung erhält durch ein solches auf eine Depesche der Bundesregierung basirtes Aktnehmen von derselben eine erhöhte Bedeutung, als wenn nur ein wörtlicher Austausch zwischen ihm u. mir statt findet. In einer so kritischen Zeit, am Vorabend eines Krieges, dessen Folgen kein Sterblicher zu ermessen vermag, scheint mir, sei ein solches Aktnehmen von der gegebenen Zusicherung nicht zu unterlassen, gegenüber dem mächtigsten unserer Nachbarn, der wohl nicht sehr lange nur eine beobachtende Stellung nach begonnenem Kampfe innehalten wird.
Wenn Sie diese Ansicht theilen, so möchte ich Sie bitten, eine solche Depesche so frühzeitig an mich abgehen zu lassen, dass ich am nächsten ordentlichen Audienztage davon Gebrauch machen kann, in dem die Mittheilung Ihrer Depesche vom 23sten Mai hiezu einen sehr guten Anlass bietet. Sie sollte daher am Dienstag oder spätestens am Mittwoch v. Bern abgehen. (Zuweilen erhalte ich Ihre Briefe erst am Nachmittag.)
In Ergänzung meines am Audienztage noch abgefassten Rapportes v. 24. d. M. füge ich heute noch bei: dass obwohl Drouyn, wie begreiflich, doch sich den Anschein geben musste, als halte er etwas auf den bevorstehenden Conferenzverhandlungen, ich denn doch aus seiner ganzen Haltung den Schluss ziehen durfte, dass seine Äusserungen mehr einer gewissen diplomatischen Convenienz, als einer bestimmten Überzeugung zuzuschreiben seyen. Offenbar hegt auch er grosse Zweifel über einen wirklichen Erfolg dieser diplomatischen Démarche in extremis. Ich war vorgestern Abend in einer Soirée bei Lord Cowley u. konnte sowohl aus seinen Äusserungen wie aus denjenigen verschiedener Collegen mich überzeugen, dass die Zweifel, die ich über die Möglichkeit eines glüklichen Erfolges der Conferenz in meinem lezten Berichte geäussert habe, fast überall getheilt werden. Ja, nicht selten lassen sich Stimmen hören, die sehr bezweifeln, dass höchsten Ortes eigentlich ein solcher Erfolg ganz aufrichtig angestrebt werde!
Noch füge ich zum gleichen Rapporte ferner bei, dass wenn ich ihn als «confidentiell» überschrieben habe, ich damit mehr andeuten wollte, dass ich nicht wünsche, dass die Mittheilungen, wie sie mir Drouyn de L’Huys machte, in die Öffentlichkeit übergehen, indem er sonst nur rükhaltender würde bei künftigen Audienzen. Dagegen kommt mir nun doch vor, nachdem die Neutralitätszusicherungen wie sie in Unterredungen mit den Ministern in Wien u. in Florenz erfolgten, aus dem Bundesrathe bereits auch in die öffentlichen Blätter übergegangen sind, so dürfte in gleicher Weise eine kurze Erwähnung der auch v. Frankreich erhaltenen Zusicherung nicht ausser Wege seyn. Doch stelle ich diess ganz Ihrem Ermessen anheim. Es ist die Lage Frankreichs in so fern nicht die gleiche wie diese v. Österreich u. Italien, weil ja Frankreich sich selbst auch als neutrale Macht erklärt. Aus diesem Grunde ist vielleicht besser noch zuzuwarten, bis ich Herrn Drouyn Ihre für Wien u. Florenz bestimmte Depesche werde zur Kenntniss gebracht haben, wo er sich nochmals zu erklären geeigneten Anlass findet. Ich rathe daher, lezteren Zeitpunkt noch abzuwarten; so ferne Sie nämlich überhaupt eine Depesche im oben angegebenen Sinn an mich abgehen zu lassen für angemessen erachten.
Ein angesehener Industrieller aus der Schweiz, der in den lezten Wochen ganz Deutschland u. einen Theil Österreichs bereiste, bestätigte mir heute vollkommen die Stimmung, wie sie von verschiedenen Seiten geschildert wird. In Österreich überall grosse Begeisterung für den Krieg, unsäglicher Hass gegen Preussen. In Sachsen sei die Stimmung etwas getheilt; sehr entschieden für die Beustsche Politik in der Masse des Volkes; mehr für Friedenspolitik u. für mögliche Vermittlung bei den Industriellen u. bei den höhern Classen.
In Preussen durchgängig sehr gedrükt; grosser Missmuth gegen die Bismarksche Politik u. gegen König. Nicht bloss hie u. da, sondern an sehr vielen Orten Ausbrüche des Unwillens der Zurükgebliebenen, wenn die Wehrpflichtigen in den Bahnhöfen nach den Dépôts abgeführt werden. Ganz zuverlässige Männer haben ihm erklärt, die erste Niederlage, welche ein preussisches Korps von den Österreichern erleiden würde, könnte gar leicht zum offenen Ausbruch der so stark vorherrschenden Missstimmung führen. Er selbst habe wiederholt aus Reihen v. preussischen Wehrpflichtigen den Ruf «Es lebe Österreich» angehört.
Ich wollte nicht ermangeln, als Beitrag zur Stimmung über diese heute morgen erhaltenen Privatmittheilungen diese Notizen dem obigen Rapporte noch beizufügen.
Die Zustimmung auch Österreichs zur Conferenz ist als gesichert anzusehen. Auch versicherte man mich gestern Abends des Bestimmtesten, im ersten Entwurf des Programms von Drouyn sey auch das pouvoir temporel des Papstes aufgenommen gewesen, auf Begehren Englands und Russlands aber gestrichen worden. Auch der Punkt wegen Venedig wurde im Sinn von Österreich milder redigirt.
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