Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.9. France
I.9.2. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 493
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#45* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 2 | |
Dossier title | Einladung Frankreichs [Kaiser Napoleons] zu einem europäischen Kongress zur Befriedigung Europas [Revision der Wienerverträge von 1815] (1863–1864) | |
File reference archive | B.18 |
dodis.ch/41492
Ich habe Ihnen unmittelbar nach der üblichen Rezeption des diplomatischen Korps am Neujahrstag den Inhalt der Anrede des Kaisers telegraphisch gemeldet. Die offizielle Redaction im Moniteur wird Sie überzeugt haben, dass ich dieselbe ganz wortgetreu aufgefasst und telegraphirt habe.2 Die Solennität ging im Übrigen ganz vor sich wie in frühem Jahren. Der Kaiser hat mit einigen Gesandten und so auch mit dem der Schweiz bei der Tour, die er im Cercle diplomatique machte, einige Worte gewechselt. Da aber seine Aeusserungen keinerlei politische Bedeutung haben, so hatte ich auch nichts weiter über die Neujahrsrezeption zu berichten. So fand auch gestern die Rezeption bei der Kaiserin Abends 9 Uhr in den Tuilerien statt. Sie sowohl als die Prinzessin Mathilde unterhielten sich einige Zeit mit mir (über meinen lezten Aufenthalt in der Schweiz, über Arenenberg u.s.w.), auch da kam gar nichts zur Sprache, das irgend eine politische Beziehung hätte.
Sie erinnern sich, dass schon bey Anfang der Sitzungen der hiesigen Kammern mir von Rouher Hoffnung gemacht wurde, dass wir Ende Dezember oder in den ersten Tagen Januars die Conferenzen für den Handelsvertrag wieder werden aufnehmen können, wenn auch nicht beendigen. Ich fand mich daher veranlasst, lezten Dienstag an einer gewöhnlichen Empfangssoirée Herrn Rouher hieran zu erinnern und auch mit Herbet (Drouynde Lhuys ist seit einigen Tagen unpässlich) zu gleichen Zwecken Rüksprache zu pflegen. Er zeigte sofort Bereitwilligkeit und äusserte die Hoffnung, man werde sich nun doch wohl über die rückständigen Fragen, wenigstens so weit sie den Tarif beschlagen, verständigen können. Wirklich erfolgte dann noch eine Einladung zu einer Conferenzsitzung auf gestern den 2. Januar Nachmittags 2 Uhr, und ich beeile mich, Ihnen über die gepflogenen Verhandlungen wie bisher vorläufig eine gedrängte Übersicht zu geben, indem Sie durch Mittheilung des Protokolls einlässlichere Berichterstattung erhalten werden.
Rouher ersuchte mich, nun zu eröffnen, welche weitern Konzessionen von Seite der Schweiz zum Zweck einer Verständigung gemacht werden, worauf ich über die bekannten Fragen Ihre lezten Instruktionen eröffnet, nämlich:
1. betreffend die Consumogebiihren die Erklärungen, wie solche in Ihrer Instruktion vom 16. October3 näher angeführt sind.
2. Dito betreffend Reduction des Eingangszolls auf ébénisteries. Reduction auf 16 fr. per 100 Ko. ohne Unterschied des Gewichts.
3. Savon de toilette. Gleichstellung mit den übrigen savons 1 f. 50 les 100 Ko.
4. Parfumeries. Ich entwikelte im Sinn Ihrer Weisungen die Gründe, warum wir diesem Begehren nicht entsprechen können.
5. Bücher, gravures, tableaux, etc. Ich proponirte Reduction auf 1 fr. per 100 Ko.
Rouher sprach sodann den Wunsch aus, ich möchte auch über die Frage der Abschaffung der permis de séjour mich erklären.
Ich erwiederte ihm: Ich sey von der Ansicht ausgegangen, es handle sich zunächst um die Tariffragen, und die Frage der permis de séjour und der Pässe würde besser bei Anlass der Revision des NiederlassungsVertrages neuerdings besprochen. Ich sei im Falle, die Unrichtigkeit der Angaben des französischen Consulates in Genf bezüglich des Verhältnisses der Franzosen gegenüber den dortigen Spitälern mit offiziellen Berichten und statistischen Zahlen auf das Schlagendste zu widerlegen und behalte mir überhaupt über diese Frage, wenn sie bei Anlass des Niederlassungsvertrages zur Sprache gebracht werde, weitere Erörterungen vor.
Sowohl im Eingang als am Schlüsse erklärte ich, die von mir eröffneten oben erwähnten weitern Instruktionen gehen von der Voraussetzung aus, und seien für den Fallertheilt, als auch von Frankreich über die von uns speziell vorbehaltenen Punkte unsern Interessen entsprechende Zugeständnisse gemacht werden, weshalb ich den Herrn Minister ersuchen müsse, über leztere sich auszusprechen, da ja bei Vertagung der Conferenzen in der 19ten Sitzung ausdrücklich von weiteren gegenseitigen Conzessionen die Rede gewesen sey.
Antwort von Hr. Rouher:
1. Betreffend die Consumogebühren scheint Frankreich sich mit den neuesten Konzessionen zu begnügen mit Vorbehalt eines Punktes. Hr. Rouher wollte nämlich Ihre Instruktion dahin auffassen, dass, wenn in einem der Kantone die Consumogebühren auf inländische Weine herabgesezt werden, das Gleiche auch für den französischen Wein zu erfolgen habe. Ich bemerkte ihm, diese Forderung sei wenigstens offiziell in den Conferenzen bisher nicht formulirt worden und ich habe daher über dieselbe auch keine Instruktion im angegebenen Sinn. Ich müsse mich darauf beschränken, hierüber meiner Regierung Bericht zu erstatten. Rouher erwiederte, er habe den status quo immer in diesem Sinne verstanden, und wenn es in den Protokollen nicht speziell ausgesagt sey, so sey es doch eine nothwendige Folge des Prinzips, an welchem Frankreich «festhalten werde», dass während der Dauer des Vertrages der status quo nicht zum Nachtheil der Concurrenz französischer Weine verändert werden dürfe. Es könnte ja sonst ein Kanton die Consumogebühr für Schweizerwein ganz aufheben, für fremde aber beibehalten wollen, etc.
Nr. 2 und 3 (ébénisterie und savons) gaben zu keinen Gegenbemerkungen Anlass; wohl aber bestritt Rouher die Eröffnungen über 4 und 5 (parfumerie und livres, etc.). Nach meinen Gegenbemerkungen schien mir aber, er werde sich mit den gemachten Zugeständnissen über diese Punkte wohl begnügen.
Betreffend permis de séjour und Pässe, so erklärte er, Frankreich müsse seine Auffassung in dieser Sache festhalten, und es werde daher nichts anderes übrig bleiben, als diese zwei Fragen ad separatum zu verweisen. Zusicherungen, welche ich im Sinne Ihrer lezten Erklärung in Aussicht stellte, schienen ihn nicht zu befriedigen.
Was Tariffragen und bureaux de poinçonnement beschlägt, so machte er seinerseits folgende Zugeständnisse:
a. Cotons. Gleichstellung der broderies mécaniques mit broderies à la main, 10% statt 15% per 100 Ko.
b. Seidenbänder, Reduction von 800 fr. per 100 Ko auf 400 fr.
c. Errichtung von zwei Bureaux de contrôle für bijouterie und horlogerie nahe an der französisch-schweizerischen Grenze (wahrscheinlich in Pontarlier und Bellegarde).
Ich antwortete sofort, ich anerkenne gerne das Gewicht der Zugeständnisse sub Lit. b. und c. Dagegen finde ich das Zugeständnis sub a. entschieden ungenügend, und verlangte mit allem Nachdruk, dass auf unserm Hauptbegehren, Reduction auf 10% für gazes et mousselines, entsprochen werde. Rouher und die ändern Mitglieder erklärten, wenn man auch gegenüber der Schweiz hiezu geneigt wäre, so sey es unmöglich, weil die Concurrenz von England sehr zu befürchten sey. Ich erinnerte diese Herrn an Alles das, was theils von den Experten, theils von mir zu Begründung dieses Begehrens und zu Widerlegung der geäusserten Besorgnisse (siehe die betreffenden Conferenzprotokolle) angebracht worden sey. Ich verhehlte nicht, dass mir die Verweigerung dieses Zugeständnisses im höchsten Grade unerwartet sey (nach der ganzen bisherigen Haltung der französischen Conferenzmitglieder in und ausser den Conferenzsitzungen) u.s.w. Man antwortete immer wieder theils mit Hinweisung auf die ändern gemachten Konzessionen, theils mit Berufung auf die englische Concurrenz, der man keine Veranlassung habe, neue Thore zu öffnen! Offenbar hat die gegenwärtige Spannung zwischen England und Frankreich auch auf diese Frage etwelchen Einfluss. Ich verdeutete Herrn Rouher, dass ich nicht abgeneigt wäre, auf ändern Artikeln, gegen welche bisher nicht reklamirt worden sei, etwelche neue Conzessionen zu gewähren, wobei ich Ihre eventuellen Instruktionen und das revidirte Zollprojekt im Auge hatte. Rouher wollte auch auf diese Proposition in dieser Sitzung nicht eingehen. Mein Plan ist nun vorläufig, in einer besondern Audienz im leztern Sinn mit ihm Rüksprache zu nehmen, e/ieneue Conferenzsitzungen stattfinden. Es kann dies aber nicht bald stattfinden, da diese Woche die Debatten im Corps législatif beginnen und vermuthlich mindestens 3 Wochen dauern werden, wo die Zeit Rouhers im vollsten Maasse in Anspruch genommen ist, so dass ein Drängen von unsrer Seite geradezu unklug wäre. Sie dürfen versichert seyn, dass ich mein Möglichstes thun werde, um über diesen so wichtigen Punkt befriedigendere Zusicherungen zu erzielen. Ob mit Erfolg, steht dahin. Näheres über Alles dies mit dem Protokoll.