Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.5. Confédération germanique
I.5.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 96
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.239#1000/379#16* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.239(-)1000/379 4 | |
Dossier title | Korrespondenz (1850–1851) | |
File reference archive | A.2 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/41095 Le Chef du Département du Commerce et des Péages, F. Frey-Hérosé, au Consul général de Suisse à Leipzig, G. Hirzel-Lampe1
Mein hochverehrter Herr Generalkonsul,
Verzeihen Sie mir, dass ich Ihr werthes Schreiben vom 1. dies2 erst heute erwiedere. Ich wollte mich des Vergnügens nicht berauben, Ihnen selbst zu schreiben und Ihnen selbst meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen für die Art und Weise, wie Sie die schweizerischen Interessen in Cassel gewahrt haben:3 dazu konnte ich aber erst jetzt gelangen, da während der Dauer der Bundesversammlung die Mitglieder des Bundesrathes gar sehr in Anspruch genommen sind und manches Geschäft zu ihrem grossen Bedauern in Rükstand kommen sehen. Ich hielt den Zollcongress in Cassel von Anfang an für das, als was er sich herausstellte, nämlich für erfolglos in seinem Resultat, aber für ganz geeignet, um den handelnden Personen unsere Verhältnisse darzulegen und so für die Zukunft zu wirken. Das neue schweizerische Zollsystem ist unsern süddeutschen Nachbarn ein Dorn im Auge, nicht sowohl durch seine Lästigkeit, die nicht gross ist, als vielmehr dadurch, dass sich die Schweiz als ein Ganzes ihnen gegenüberstellt und somit im Falle ist, Ungebührlichkeiten zurükzuweisen. Bisher war man gewohnt, uns als eine Art Milchkuh zu betrachten, an der man beliebig melken konnte, und ging es an einer Zitze nicht, so ging es doch an der ändern. Nun ist dem nicht mehr so und Bedrükungen der Schweiz durch Erschwerung des Kornhandels, des Weinverkehrs u. dgl. wüssten wir auf das empfindlichste zu vergelten, so dass man sich hoffentlich von solchen ferne halten wird. Die Beschwerden gegen unser Zollsystem sind grundlos und gesucht, auch in sehr geringem Masse zu finden, sonst würde man uns nicht immer und ewig das alte Lied wieder neu anstimmen, wie z. B. das vom «englischen» Eisen, worüber wir den Leuten schon wiederholt sagten, dass wir darunter gemeines Steinkohleneisen verstehen, abgesehen von der Herkunft, gleich wie man Köllnisches Wasser nicht nur aus Kölln, Pariserblau nicht nur aus Paris, u. dgl., bezieht, immerhin aber genau weiss, was man unter den so benannten Waaren begreift. Aber, die grossherzoglich-badischen und die fürstlich-fürstembergischen Eisenwerke fabriziren kein Steinkohleneisen – hinc illic lacrymae! – Die süddeutschen Staaten haben kürzlich eine Ihnen gewiss auch zugekommene Denkschrift verfasst, und uns auch ein lithographirtes Exemplar gesandt4, worin sie gegen den schweizerischen Zolltarif eifern und die unbescheidensten Forderungen stellen, welche in den Ihnen seiner Zeit mitgetheilten Noten grundsätzlich und zum Theil speziell schon widerlegt sind. Man wird nun eine Gegendenkschrift abfassen und sie auch lithographiren lassen.5 Unser Tarif enthält manche Lüken und manche Zweideutigkeiten, auch zu hohe Ansätze, aber alles dieses giebt weniger zu Kritiken Anlass, als es nur die Anwendung des Gesetzes erschwert. Im künftigen Jahr werden wir bei Anlass der Umänderung der Tarifsätze in den neuen, dem französischen gleichen Münzfuss eine Revision vornehmen.
Der nassauische Abgeordnete, der Ihnen über den hohen Zoll des Selterswassers klagte, hat darin recht, dass die Mineralwasser, entgegen dem Vorschlag des Bundesrathes, der dafür einen viel geringeren Zoll vorschlug, von der Bundesversammlung in eine zu hohe Klasse gesezt wurden, weil man annahm, das Trinken derselben sei meist Luxussache, aber darin hat er Unrecht, dass er glaubt, über die Tara sei nichts gesagt. Der Artikel 11 des Zollgesetzes ordnet ausdrüklich die Verzollung nach dem Bruttogewicht an.6 Gemeinen Wein der 4. Zollklasse wissen unsere Zollbeamteten vom Dessertwein der 9. Klasse zu unterscheiden, und selten zeigen sich Nachtheile oder Anstände.
Weit mehr als damit hatte die Zollverwaltung in lezter Zeit mit dem Schmuggel zu thun, der sich, besonders in Genf, ins Grosse organisierte. Darum auch die in Ihrem verehrten Schreiben von Ihnen als auffallend bezeichnete Versendung von Waaren, welche für Genf bestimmt waren, per Transit durch die Schweiz nach der ausser jeder Zollinie liegenden an den Kanton Genf angrenzenden Zone von Savoyen, aus welcher dann die Waaren einerseits ins Innere von Sardinien, anderseits nach der Schweiz geschmuggelt werden. Eine neue Organisation der Zollstätten im Kanton Genf wird diesen Handel gegen die Schweiz bald unmöglich machen.
An die Londoner Industrieausstellung wird der Bundesrath von sich aus kaum eine Abordnung ernennen, allein die von ihm zur Besorgung dieser Angelegenheit niedergesetzte Commission bevollmächtigen, jemanden hinzuschiken.7 An der Spitze dieser Commission steht Herr Alt-Reg. Rth. Dr. R. Schneider, von Bern, und es war schon die Rede davon, dass die Herren Prof. Dr. Bolley in Aarau und Prof. Colladon von Genf nach London gehen sollen. Es wird Ihnen gar nicht schwer werden, sich an einen Abgeordneten anschliessen zu können, und ich werde Ihnen seiner Zeit, wenn man einmal weiss, wie die Sache sich ordnen wird, gerne eine zwekdienliche Empfehlung an den Abgeordneten in amtlicher Stellung zufertigen lassen.
Eine Anzahl unserer Zolltarife sende ich Ihnen nach Ihrem Wunsch im Anschluss.
Empfangen Sie nochmals meinen verbindlichsten Dank für Ihre Geschäftsführung in Cassel sowie für die Berichte und Aufschlüsse, die Sie mir über Allgemeines und Spezielles von dort gegeben haben, [...].
- 1
- Lettre: E 2200 Leipzig 2/4.↩
- 2
- E 13 (BJ/147.↩
- 3
- Cf. No 90.↩
- 4
- Denkschrift über die Verhältnisse des deutschen Zollvereins zur Schweiz. 30p. E 13(B)/147.↩
- 5
- Beleuchtung der Denkschrift über die Verhältnisse des deutschen Zollvereins zur Schweiz. 47p. E 13 (B)/147.↩
- 6
- Les droits perçus à raison du poids sont calculés sur le poids brut des marchandises. Loi du 30 juin 1849, RO I, p. 182.↩
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