Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.5. Confédération germanique
I.5.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 90
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#1328* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 217 | |
Dossier title | Verschiedenes (1848–1894) | |
File reference archive | C.321.05.14 |
dodis.ch/41089
Bericht des Général-Consuls zu Leipzig über seine Mission
zum Casseler Zoll-Congress
Überhäufte dringende Geschäfte mannigfacher Art haben mich verhindert, dem hohen Bundesrath über meine Mission zum Zoll-Vereins-Congress nach Cassel früher Bericht zu erstatten.
Indem ich allervorderst wegen dieser Verzögerung um Entschuldigung bitte und die Nachsicht des hohen Bundesrathes deshalb zu beanspruchen mir erlaube, mich auch bey Erstattung meines Berichts auf die Mittheilungen beziehe, die ich von Cassel aus zu verschiedenen Malen privatim an den Vorsteher des Zoll- und Handelsdepartement habe gelangen lassen2, freut es mich, meinen Bericht mit der sicherlich schon zu Ihrer Kunde gekommenen Nachricht beginnen zu können, dass auf Befehl der churfürstlichen Regierung, datirt Wilhelmsbach 27. October, die Zollconferenz den 2. dieses Monats aufgelöst worden ist und die sämmtlichen Bevollmächtigten den nämlichen Tag verlassen haben. Es wurde zwar vor der Auflösung von Baden der Antrag gestellt, sich nicht aufzulösen, sondern sich nur so lange zu vertagen, bis man sich über einen ändern Ort, wo die Conferenzen fortzusetzen wären, würde geeinigt haben, um, abgesehen von der Tariffrage die Menge angefangener Geschäfte, als da waren, das Rechnungswesen, Erleichterung des Binnenverkehrs, gleichmässige Behandlung des Zollwesens auf den Eisenbahnen, und so weiter, von denen auch nicht ein einziger Gegenstand definitiv zu Ende geführt worden, fortzusetzen und zu beendigen.
Es fand jedoch dieser Antrag keinen Anklang und so hat diese beynahe 5 Monat gedauerte Versammlung ihre Endschaft erreicht, ohne zu irgend einem Beschluss, irgend einem Resultate gelangt zu seyn.
Wenn den politischen Verwirrungen, mit denen Deutschland dermalen so stark heimgesucht wird, irgend eine gute Seite abzugewinnen wäre, so würde dieselbe in dem Umstand zu finden seyn, dass durch diesen politischen Wirrwarr einem Handelswirrwarr ist vorgebeugt worden, der unfehlbar entstanden wäre, hätten die preussischen Zollerhöhungs-Vorschläge Eingang gefunden.
Was nun das Spezielle der mir übertragenen Mission anbelangt, so habe ich alle Ursache zu vermuthen, dass meine Anwesenheit in Cassel sehr am Platz war und die erste Erscheinung eines schweizerischen Abgeordneten bey einem deutschen Zoll-Congress, wenn vielleicht auch nicht augenblicklich, doch mit der Zeit mittelbare und unmittelbare Früchte für unsern Handel und Industrie tragen dürfte.
Von irgend einer directen Einmischung in die Congress-Verhandlungen konnte, auch wenn der hohe Bundesrath mir eine solche nicht untersagt hätte, um so weniger die Rede seyn, als diese Verhandlungen lächerlicher Weise in das tiefste Dunkel gehüllt, hinter Schloss und Riegel geführt werden und nichts Offizielles darüber veröffentlicht wird. Gleich wie die zu ähnlichen Zwecken wie der meinige und in der nämlichen offiziellen Eigenschaft von Bevollmächtigten nach Cassel beordneten Commissare von England, Belgien und Frankreich, letzteres durch seinen Geschäftsträger représentât, musste ich mich beschränken, meine Vorstellungen gegen die beabsichtigten Zollerhöhungen auf Privatwegen und im vertraulichen Kreise an die Abgeordneten der verschiedenen Zoll-Vereinsstaaten gelangen zu lassen und auf diese Weise den Zweck meiner Mission zu erreichen suchen. Dies ist mir auch wenigstens insofern gelungen, als ich den Herren Abgeordneten, von denen die meisten über unsere Zoll- und Handelsangelegenheiten und über unsere ganzen Verhältnisse und Beziehungen zum Zollverein unklare und unrichtige Begriffe hatten, über viele Punkte eines besseren belehrt und Aufschluss gegeben habe. Konnte natürlich nicht daran gedacht werden, die übertriebenen Schutzzöllner, unter die in erster Linie Baden und Württemberg zu rechnen sind, eines bessern zu belehren, so hat sich doch im Verlauf der Unterredungen und je näher wir miteinander bekannt wurden, manches besser und freundlicher gestaltet, als ich mir dachte. Verhehlen darf ich dem hohen Bundesrath nicht, dass mein Erscheinen in Cassel einigen dieser Herren Abgeordneten eben nicht besonders angenehm zu sein schien und mir dies bey meinen ersten Besuchen, die ich jedem der Abgeordneten abzustatten für angemessen erachtete, auf eine ziemlich unzweideutige Weise zu erkennen gegeben wurde. Besonders war der Empfang, der mir Seitens des preussischen Bevollmächtigten zu Theil wurde, nichts weniger als wohlwollend, obschon, was ich auch nicht geduldet haben würde, eine Verletzung der Höflichkeitsformen oder meiner Stellung gebührenden Achtung seinerseits nicht stattgefunden hatte. Bedauern musste ich abermahls bey dieser Gelegenheit, dass die schiefe Stellung, der ich mich der preussischen Regierung gegenüber immer noch befinde, und die weder mir noch der Eidgenossenschaft zur Ehre gereicht, von dem hohen Bundesrath immer noch nicht geordnet worden ist, unerachtet dies, unter den obwaltenden Verhältnissen durchaus keine Schwierigkeit mehr haben dürfte. Ich erachte es für meine Pflicht, den hohen Bundesrath wiederhohlt ebenso dringend als ergebenst auf die Nothwendigkeit aufmerksam machen zu müssen, dieser schiefen Stellung ein Ende zu machen.
Es gereicht mir ferner zu etwelcher Genugthuung, dem hohen Bundesrath melden zu können, dass, wenn in Cassel die preussischen Vorschläge wären angenommen worden, was glücklicher Weise nicht der Fall ist, aller Wahrscheinlichkeit nach einige Ausnahmen zu Gunsten der Schweiz doch wären zu erlangen gewesen. Die Instructionen der sächsischen Abgeordneten lauteten wenigstens dahin, meine Vorstellungen aufs kräftigste zu unterstützen, und mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Preussen würden alle übrigen Staaten den Anträgen Sachsens in Beziehung auf meine Reclamationen beygetreten seyn.
Von Baden und Württemberg ist für uns durchaus nichts zu hoffen und zu erwarten, unerachtet der wiederhohlten Versicherungen der württembergischen Abgeordneten, dass man nichts mehr wünsche, als die Gränz- und Handelsverhältnisse mit uns freundschaftlich zu ordnen und im guten nachbarlichen Vernehmen zu bleiben. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass wir von diesen beiden Ländern und ganz besonders von Baden weder ein freundliches Entgegenkommen, noch Bereitwilligkeit, den Gränzverkehr nach Billigkeit, wie es im Interesse beider Länder liegen dürfte, zu ordnen in der nächsten Zeit zu erwarten haben werden, wohl aber würden mich Chicanen, Plackereyen da keineswegs wundern. Der hohe Bundesrath dürfte nach meinem Dafürhalten wohl thun, nicht zu sehr nachgiebig zu seyn und Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Ziemlich klar wurde es mir, dass unsere Nachbarn immer noch nicht recht begreifen können, dass die Schweiz nun in der Lage ist, sich nicht mehr wie früher alles gefallen zu lassen; die Möglichkeit, Represaillen unsrerseits zu treffen, die Centralisirung unserer Zoll- und Handelsangelegenheiten will diesen Herren durchaus nicht einleuchten noch gefallen; so hatten sie auch Mühe zu begreifen, oder thaten wenigstens so, warum die Schweiz einen Abgeordneten nach Cassel hätte schiken können.
Freundlicher und weit besser, als ich es erwartete, fand ich den bayerischen Abgeordneten für uns gestimmt, zwar auch ein Schutzzöllner, mit dem sich jedoch ein vernünftiges Wort reden liess und der auch die Wichtigkeit des schweizerischen Consumos für die Zollvereins-Industrie wohl einsehen und richtig beurtheilen [kann], mir unverhohlen seine Geneigtheit zu erkennen gab, schweizerische Reclamationen gegen Zollerhöhungen thunlichst zu bevorworten.
Auch Preussen sieht wohl ein, dass man der Schweiz und ihrem Handelssystem Rechnung zu tragen hat, allein die augenbliklich zwischen beyden Ländern herrschende politische Misstimmung mag wohl hauptsächlich die Ursache seyn, dass Preussen von irgend einer Begünstigung der schweizerischen Industrie durchaus wenigstens vor der Hand nichts wissen zu wollen scheint. Indirecte ist mir dies ziemlich klar geworden.
Zu den merkwürdigen Erscheinungen der Casseler Zoll-Conferenz dürfte unter anderem auch der Umstand gehören, dass, nachdem eine Erhöhung der Baumwollengarne von 3 auf 4 s. bereits beschlossen worden war, der Beschluss, der einzige vielleicht, der während der ganzen Conferenz gefasst worden war, aus dem Grunde wieder annullirt wurde, weil man sich über die Höhe der zu gewährenden Rückzölle auf baumwollenen Geweben nicht einigen konnte, dass ferner das kleine Braunschweig, auch wenn die politischen Ereignisse den preussischen Vorschlägen nicht den Todesstoss gegeben hätten, durch seine kräftige Opposition den Zweck der ganzen Conferenz scheitern gemacht haben würde. Nicht minder wichtig und bedeutungsvoll ist ferner der Umstand, dass seit dem Bestehen des Zollvereins, Preussen mit seinen Vorschlägen zum ersten Mal Fiasco gemacht hat.
Meine Beziehungen zu den eingangs erwähnten fremden Commissarien waren die angenehmsten und freundschaftlichsten; wir haben uns gegenseitig unterstützt, gegenseitig mitgetheilt, was jeder in seinem Kreise in Erfahrung zu bringen vermochte, und unser gemeinschaftliches Handeln mag manchen der Abgeordneten überzeugt haben, dass, wenn der Zollverein ein noch stärkeres Schutzzollsystem einführen wollte, das in Beziehung auf die Handelsverbindungen mit ändern Ländern mit grossen Schwierigkeiten verknüpft seyn dürfte.
Einige besondere Specialitäten, die sich auf meinen Aufenthalt in Cassel beziehen, behalte ich mir, um meinen Bericht nicht zu sehr auszudehnen, vor, zur Kenntnis des Vorstandes des Zoll-Departements zu bringen, für welchen solche noch ein specielleres Interesse haben werden.