Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 26, Dok. 46
volume linkZürich/Locarno/Genève 2018
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E1003#1994/26#16* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 1003(-)1994/26 7 | |
Dossiertitel | Beschlussprotokolle II (grün) der Sitzungen des Bundesrates, 1973 (1973–1973) | |
Aktenzeichen Archiv | 4.3 |
dodis.ch/39599 BUNDESRAT
Beschlussprotokoll II der 40. Sitzung vom 31. Oktober 19731
Beschlussprotokoll II der 40. Sitzung vom 31. Oktober 19731
[…] 2
2. Beteiligung der Schweiz an der Waffenstillstands-Aktion der UNO
Das Politische Departement unterbreitet dem Rat, unter dem Datum des 30. 10. 19733, einen Bericht über die Möglichkeiten einer Beteiligung der Schweiz an den Massnahmen der UNO zur Durchsetzung des Waffenstillstandes im Vordern Orient. Das Arbeitspapier kommt zum Schluss, dass gegenüber einer Beteiligung der Schweiz etwelche Vorsicht am Platze ist, insbesondere mit Rücksicht darauf, dass weder die Aufgaben noch das rechtliche Statut der UNO-Truppen, die in einer Grössenordnung von 7000 Mann zum Einsatz gelangen sollen, bisher klar umschrieben worden ist. Festzuhalten ist auch, dass von Seiten der UNO bisher keinerlei Einladung an die Schweiz ergangen ist, weder offiziell noch offiziös.
Herr Gnägi hat Kenntnis erhalten von Bestrebungen für einen Aufruf der Schweiz zu Gunsten der Tätigkeit des IKRK. Herr Graber zweifelt an der Ernsthaftigkeit dieser Bestrebungen. Das IKRK wird die Schweiz kaum um einen solchen Aufruf ersuchen, um nicht mit ihr identifiziert zu werden.
Bezüglich des Einsatzes schweizerischer Blauhelme hält Herr Gnägi dafür, dass der Bundesrat im Moment nichts vorzukehren hat. Es ist aber auch nicht ganz befriedigend, wenn wir einfach unserer Bereitschaft bekunden. Angezeigt wäre mindestens die Wiederaufnahme und Fortsetzung der Studien der Arbeitsgruppe 19674, die sich damals bereits intensiv mit der Möglichkeit einer Mitarbeit der Schweiz bei Aktionen von UNO-Truppen befasst hat. Herr Graber unterstreicht nochmals, dass bisher von keiner Seite, auch nicht von den Kriegführenden, eine Mitwirkung der Schweiz verlangt worden ist. Die zurückhaltende These von Herrn Prof. Bindschedler ist rechtlich schon vertretbar, politisch aber sieht die Sache anders aus. Es ist sicher richtig, dass die Schweiz als der UNO nicht angehörendes Land nicht eigene Leute dem UNO-Kommando unterstellen kann – aber wir sollten doch ein Mehreres tun als zu allem nein sagen. Denkbar wäre eventuell, nebst einer vermehrten Unterstützung des IKRK, wieder eine Vereinbarung über die zur Verfügungstellung von Flugzeugen für den Transport von UNO-Beobachtern5. Herr Celio ist mit der Haltung von Herrn Graber durchaus einverstanden, fragt sich aber, ob das genügt; was die Schweiz für das IKRK tut, wird nicht ihrem Konto gutgeschrieben. Waldheim wird sich sicher in absehbarer Zeit an die Schweiz wenden. Für diesen Fall sollten wir eine Ersatzlösung bereithalten, damit dann nicht wochenlang diskutiert werden muss. Wir könnten zum Beispiel eine Spitalequipe vorbereiten, die an Ort und Stelle einzusetzen wäre. Denn es ist richtig, dass wir nicht immer von der Disponibilität der Schweiz sprechen können und dann im Moment, wenn wir angegangen werden, doch nichts tun. Herr Furgler stellt fest, dass im Bundesrat offenbar eine vollständige Unité de doctrine in der Bereitschaft zu aktiverem Helfen besteht. Die grosse Frage ist, was getan werden soll. Was uns belastet, ist, dass bisher unsere Solidaritätserklärungen stets nur durch Checks abgegolten wurden. In praktischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob es nicht möglich wäre, durch das Katastrophenhilfskorps6, das nun doch im Kern vorhanden ist, etwas zu offerieren. Die rechtlichen Grundlagen dafür dürften bestehen. Auf diesem Wege wäre es möglich, aktiv zu werden, ohne schweizerische Wehrmänner dem UNO-Kommando zu unterstellen. Das JPD wird noch weiter abklären, wie weit ein solches Vorgehen verfassungsgemäss vertreten werden kann. Herr Gnägi begrüsst die Anregung von Herrn Furgler betreffend den Einsatz des Katastrophenhilfskorps sehr. Herr Bundespräsident Bonvin geht mit den Vorrednern ebenfalls einig: Die Schweiz sollte unbedingt etwas Konkretes tun und nicht allein Geld offerieren. Herr Graber findet die Idee von Herrn Furgler ebenfalls gut, hält es aber für notwendig, auch auf die Grenzen hinzuweisen. Das Katastrophenhilfskorps ist erst im Aufbau. Es hat einen sehr kleinen Stab, und ein noch kleineres Budget. Dazu kommt ein weiteres: Wenn wir unsere Dienste beiden Parteien offerieren, werden die Israeli wahrscheinlich ablehnen, weil sie keine medizinische Hilfe brauchen. Geht dann aber unsere Hilfe nur in Richtung der arabischen Truppen, wird die Begeisterung im Inland rasch sinken7. Herr Furgler erwidert darauf, dass auch er die Grenzen eines Einsatzes des Katastrophenhilfskorps sehr wohl sieht. Man sollte aber doch versuchen, eine Offerte vorzubereiten, in enger Zusammenarbeit mit Herrn Bill, der von solchen Aktionen etwas versteht.
Der Idee eines Vorbereitungs- und Planungsauftrages wird zugestimmt. Der Auftrag8 wird den daran interessierten Departementen (EPD, EMD und JPD) erteilt.
[…] 9
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/39599.↩
- 3
- Notiz des Politischen Departements an den Bundesrat vom 30. Oktober 1973, CH-BAR#E2003A#1988/15#1389* (o.713.27). Vgl. dazu auch die Notiz von F. Muheim vom 29. Oktober 1973, dodis.ch/39550.↩
- 4
- Vgl. dazu den Bericht von R. Bindschedler und F. Moser vom 24. April 1967, dodis.ch/32908 sowie das BR-Prot. Nr. 1404 vom 11. September 1968, dodis.ch/32907.↩
- 5
- Zur schweizerischen Unterstützung von humanitären Hilfsaktionen im Nahen Osten, bes. im Rahmen von UNO und IKRK, vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 47, dodis.ch/39249.↩
- 6
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 156, dodis.ch/38540.↩
- 7
- Zur Haltung der schweizerischen Öffentlichkeit und der Bundesversammlung bezüglich des Nahostkonflikts und der Reaktion der arabischen Staaten vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 126, dodis.ch/38638; Dok. 193, dodis.ch/37207 sowie Doss. CH-BAR#E2001E-01#1987/78#729* (B.75.21.(07)).↩
- 8
- Vgl. dazu das Auftragsprotokoll von J.- M. Sauvant vom 2. November 1973, dodis.ch/40790.↩
- 9
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/39599.↩
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