dodis.ch/31397

Der Chef des Protokolls des Politischen Departements, Ch.-A. Wetterwald, an den Briefkasten-Onkel des Radio Studio Basels, H. Forster1

In Beantwortung Ihres Schreibens vom 5. Oktober2, worin Sie uns zwei Hörerfragen im Zusammenhang mit dem Besuch des dänischen Königspaares3 stellen, teilen wir Ihnen mit, dass der schweizerische Bundespräsident gemäss einer eingesessenen Tradition keine Staatsbesuche abstattet4. Es handelt sich dabei nicht um ein geschriebenes Gesetz, sondern vielmehr um einen Brauch, der auf die besondere Struktur unseres Regierungskollegiums zurückzuführen ist. Bis heute ist dieser Gewohnheit nachgelebt worden, die erfahrungsgemäss auch im Hinblick auf unsere Neutralitätspolitik gerechtfertigt scheint. So hat sie sich beispielsweise gerade während der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, wo häufig Staatschefs von Nachbarländern nach Berlin und Rom eingeladen wurden, besonders bewährt5. Nachdem ferner Staatsbesuche6 nur von Staatsoberhäuptern gemacht werden, sind wir auch in dieser Hinsicht in einer beson­ deren Lage, da die Schweiz bekanntlich im Gegensatz zu andern Demokratien einen Staatspräsidenten im eigentlichen Sinne des Wortes nicht kennt.

Etwas anders verhält es sich für die übrigen Mitglieder des Bundesrates, die als Vorsteher eines Departementes an Kontakten mit ihren entsprechenden ausländischen Regierungskollegen interessiert sein können. Hier wäre es durchaus denkbar, dass ein in der Schweiz abgestatteter Besuch auf Wunsch erwidert wird, wobei bei solchen Gegenbesuchen schon im Hinblick auf die grosse zeitliche Belastung unserer Bundesräte Zurückhaltung geübt wird. Schliesslich kommt es in letzter Zeit immer häufiger vor, dass sich die Vorsteher der sachlich interessierten Departemente persönlich zur Teilnahme an internationalen Konferenzen ins Ausland begeben, wie dies beispielsweise im Rahmen der EFTA, der OECD, des Europarates oder anderer internationaler Zusammenkünfte von Regierungsvertretern geschieht.

Zur zweiten Frage Ihres Hörers ist hervorzuheben, dass ein Staatsbesuch sehr oft als ein besonderer Beweis für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den zwei Ländern gilt. Eine solche Visite wird im allgemeinen anlässlich einer sich ergebenden günstigen Gelegenheit festgelegt, wie dies zum Beispiel beim Besuch des dänischen Königspaares der Fall war, der vor über einem Jahr über die diplomatischen Kanäle in die Wege geleitet worden war.7