Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 66
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#6085* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 979 | |
Dossier title | Nilsson, Torsten, Aussenminister. Besuch der Schweiz (1965–1965) | |
File reference archive | B.15.50.4 • Additional component: Schweden |
dodis.ch/31196 Der schweizerische Botschafter in Stockholm, E. von Graffenried, an den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Erlauben Sie mir, zum hiesigen Posten noch einige persönliche Gedanken darzulegen2:
1. Generell haben sich die Beziehungen und Kontakte stark entwickelt. Neben Handel und Verkehr ergibt sich dies, effektiv und stimmungsmässig, u. a. aus EFTA, vermehrten Investitionen und Beteiligungen in beiden Richtungen, wie auch aus der Entwicklung Stockholms zur Kongress-, Reise- und Kultur stadt. Mit dem Schwinden der Distanzen, gilt dies auf allen Gebieten, und für immer breitere Kreise; gegenüber früher oft aber auch in etwas kritischerem Sinne, und mit neuen Erwartungen.
Aus der Schweiz ist ebenfalls vermehrtes Interesse unverkennbar; bei allen Nuancen in der Beurteilung sozialstaatlicher Fragen. Wobei sich allerdings aus den Unterschieden in Struktur und Orientierung gelegentlich Probleme ergeben: z. B. indem private und technische Initiativen/Studienreisen hier zwangsläufig einer mehr offiziellen Einstellung begegnen, bzw. letztlich von der Mitwirkung staatlicher Stellen abhängig sind. (So wird die Botschaft denn auch häufig von schwedischer Seite aus eingeschaltet; auch mit der Erwartung auf entsprechende «Mitwirkung»).
2. Auf offizieller Ebene besteht hier nicht nur weitgehende Bereitschaft, sondern in meiner Überzeugung auch ein Bedürfnis nach Vertiefung. Gerade bei unseren laufenden Anliegen zeigt sich, im Aussenministerium und den Handelsdiensten/Integration etc., Interesse an Kontakten mit formlosem Informations- und Gedankenaustausch; und zwar in mehr kontinuierlicher Weise, und über konkrete Tagesfragen hinaus. Immer wieder hört man, dass trotz allen Unterschieden gerade Schweden und die Schweiz, politisch unbelastet, sich Vieles zu bieten haben.
3. Der Berner-Besuch des schwedischen Aussenministers3 wird hier als «Sonderfall» betrachtet, d. h. weit über die schwedische «Besuchs-Diplomatie»4 hinaus. Dies gilt sowohl für den allgemeinpolitischen Gedankenaustausch, zu allfälligen konkreten Punkten von aktueller Bedeutung, wie besonders für die weitere Atmosphäre; neben der Gelegenheit zu einem Vortrag über schwedische Aussenpolitik.
So dürfte, besonders seitens der Begleiter, eine «allgemeine Bereitschaft» zum Ausdruck kommen: So erfreut man schwedischerseits über Anliegen und Informations-Initiativen von unserer Seite ist, – sei es nun über konkrete Fragen oder durch Interesse an vermehrter laufender Konsultation und engerer Zusammenarbeit5 (OI, Wissenschaft und Forschung, etc.) – so ist dabei der schwedischen «Zurückhaltung», und gerade uns gegenüber einer gewissen Scheu bzw. Respekt vor unseren eigenen Verhältnissen, Rechnung zu tragen. In diesem Sinne, stellen denn auch meine kürzlichen Anregungen6 (u. a. Notiz von Herrn Botschafter Micheli vom 12. Januar 19657) primär meine eigenen Gedanken und Eindrücke dar. Und dies primär als Versuch zur Konkretisierung; aber in der Meinung, dass man schwedischerseits gerne auf alle denkbaren Anliegen eintreten wird, soweit unsererseits Interesse besteht. (Neben dem Besuch von Herrn Bundesrat Petitpierre, April 19568 und Februar 1957, erfolgte meines Wissens auch ein «Kontakt-Besuch» seitens von Herrn Botschafter Zehnder als Generalsekretär).
Der Aussenminister-Besuch wird auch in der weiteren Öffentlichkeit sicherlich stark vermerkt werden. Gerade da wo man unsere Verhältnisse näher kennt, könnte dies sehr wohl einem «latenten» Bedürfnis (meine Theorie der «geographischen Abseits-Stellung») Auftrieb geben. Was sich in der Folge auch indirekt, und bei entsprechender Auswertung, auswirken sollte.
4. Über einzelne EMD-Belange habe ich wiederholt näher berichtet9. Gerade hier ging es mir, und teilweise auch meinen Mitarbeitern, um Anliegen besonderer Art.
5. Wohl fordert der hiesige Boden, in verschiedener Hinsicht, etwelche Anstrengungen. Das Stimmungs-Klima, und vielleicht die Interessen-Lage gerade heute, erscheinen mir jedoch für weitere Initiativen günstig; so auch im Bezug auf Kultur, Universitäten und in der Provinz; auch im Sinne der «Präsenz-Postulate»10. Manches mag hier «nuanciert» und oft auch «alte Schule» erscheinen, doch zeigen meines Erachtens einzelne Realisationen doch eine erfreuliche Aufnahme-Bereitschaft.
6. Wohl einzigartig ist die Kolonie-Entwicklung: von bloss 200 Landsleuten 1939 und 1945, auf heute etwa 2500: teilweise temporär zur Ausbildung, oft aber auch mit bleibender Niederlassung; der Kanzlei-Umsatz hat dadurch stark zugenommen, oft auch mit delikaten Rechtsfragen. Die Vereine/NHG, wie die Kulturelle Vereinigung «Schweden-Schweiz» entfalten eine lebhafte Tätigkeit.
- 1
- Schreiben: E 2001(E) 1978/84 Bd. 979 (B.15.50).↩
- 2
- Handschriftliche Marginalie: M. Janner. M. de G [raffenried]sera à Berne les 9 et 10 février.↩
- 3
- T. Nilsson. Zu dessen Besuch vom Mai 1965 vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 73, dodis.ch/31207, bes. Anm. 3.↩
- 4
- Zur Frage Brauchen wir eine Besuchdiplomatie vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 164, dodis.ch/31628.↩
- 5
- Zur Zusammenarbeit in Militärfragen und im Bereich des Zivilschutzes mit Schweden vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 73, dodis.ch/31207, bes. Anm. 5, und Dok. 160, dodis.ch/31211.↩
- 6
- Vgl. z. B. die Schreiben von E. von Graffenried an F. T. Wahlen vom 26. Oktober 1964 und vom 5. Dezember 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- Notiz von P. Micheli vom 12. Januar 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 8
- Vgl. zum Treffen von M. Petitpierre mit O. Undén, DDS, Bd. 20, Dok. 66, dodis.ch/10187.↩
- 9
- Vgl. Doss. E 2001(E) 1979/28 Bd. 12.↩
- 10
- Zur Präsenz der Schweiz in Skandinavien vgl. den Bericht von C. Doka vom 18. November 1964, dodis.ch/31225.↩
Tags
Sweden (General) Sweden (Economy) Diplomacy of official visits