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1.3.1943-31.3.1944
Archiv HK BS; Protokolle Vorstandssitzungen 1939-1945
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Basler Handelskammer


Protokoll der 642. Sitzung, Dienstag 2.3.1943



Vorsitz: Präsident Koechlin

"6. Projekte betreffend die Errichtung eines Exportforschungsinstitutes, eines Tropeninstitutes und eines Ernährungsinstitutes in Basel"

Koechlin

"orientiert über die verschiedenen projektierten Institute. In St. Gallen ist bereits ein Institut für Aussenhandels- und Absatzforschung der Handelshochschule angegliedert worden, an welchem schon in diesem Wintersemester gewisse Vorlesungen abgehalten wurden. Die Zentrale für Handelsförderung und die Zürcher Universität wollen ein ähnliches Institut gründen, ebenso die E.T.H. Ferner besteht auch ein Basler Projekt für die Errichtung eines Exportforschungsinstitutes. An diesem Plane sind die Regierung, die Universität, die Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft und gewisse Wirtschaftskreise beteiligt. Der Gründungsausschuss - bestehend aus den Herren Dr. Schweizer, Prof. Brogle, Dr. Meister, Prof. Wagner und Präsident Koechlin - hat den zuständigen Stellen in Bern sowie dem Vorort ein Exposé unterbreitet. Es ist jedoch noch keine Stellungnahme dazu erfolgt. Die Meinungen über dieses Institut gehen auseinander. Die Universität war zuerst zurückhaltend, ist jetzt aber für die Errichtung eines solchen Institutes.

Prof. Brogle

"gehört zu den Initianten des Exportforschungsinstitutes. Die Exportforschung ist für die Zukunft unseres Landes notwendig; sie soll auf rein wissenschaftlicher Grundlage stattfinden. Der nachträglich aufgetauchte Gedanke, ein Tropeninstitut zu gründen, ist sehr zu begrüssen, da dieses Institut noch umfassender sein würde, als das ursprünglich beantragte Exportforschungsinstitut. Die Idee der Exportforschung könnte in das Tropeninstitut übernommen werden."

Prof. Haab
"Der Plan zur Errichtung eines Exportforschungsinstitutes wurde durch Dr. Mister vom Verband reisender Kaufleute aufgestellt; Dr. Homberger ist der Ansicht, dass wir in der Schweiz genug kaufmännische Bildungsmöglichkeiten besitzen, dagegen fehlt ein rein wissenschaftliches Institut, sowie auch die notwendige Dokumentation. Das neue Institut hätte die Dokumentation zu besorgen und zu verarbeiten; es würde organisch dem Wirtschaftsarchiv angegliedert. An der Universität würde ein Extraordinariat für Exportwissenschaften errichtet. Als Leiter kommt nur eine wissenschaftlich ausgewiesene Persönlichkeit in Frage; in dieser Form wird das Projekt auch von der Universität begrüsst."
Zum Tropeninstitut: Medizinische Ausrichtung, aber: "Auch die Erforschung der Wirtschaft der Tropen ist beabsichtigt. [...]. Das Institut hat sicher eine grosse Zukunft. Gewisse Ueberschneidungen seines Aufgabenkreises mit demjenigen des Exportforschungsinstitutes sind leicht zu beseitigen. Die Handelskammer sollte die Errichtung dieses Tropeninstitutes unterstützen."

Dr. Wilhelm
"betont, dass man, falls der Gedanke des Exportforschungsinstitutes weiter verfolgt werde, sich die Mitarbeit der beim Export massgebenden Stellen, des Vororts, der Handelsabteilung, der Nationalbank und der Schweizerischen Verrechnungsstelle sichern müsse. In den Vordergrund sollte aber das Tropeninstitut gestellt werden, da hier wirklich positive Vorschläge gemacht werden."

Koechlin

"Auf das Tropeninstitut ist das Hauptgewicht zu legen; doch soll auch der Gedanke des Exportforschungsinstitutes nicht fallen gelassen werden."

Beschluss

"./. Die Handelskammer unterstützt in erster Linie den Gedanken, ein Tropeninstitut zu gründen; sie begrüsst es, wenn ihr Präsident sich dem Initiativkomitee für dieses Institut zur Verfügung stellt. Ferner beschliesst sie, der Regierung zu beantragen, eine Konferenz der Interessenten der verschiedenen Projekte einzuberufen, n der abgeklärt werden soll, mit welchen Vorschlägen Basel an die Bundesbehörden gelangen wolle."

[gemäss Kopien keine Fortsetzung des Themas in den Protokollen]



Protokoll der 650. Sitzung, Dienstag 7.12.1943



Vorsitz: Präsident Koechlin

"1. Protokoll der Sitzung vom 2.11.1943"

Koechlin
"erwähnt, dass wir in einer Eingabe dem Vorort erneut den Wunsch unterbreitet haben, es möchten Leute aus der Wirtschaft zur Unterstützung der offiziellen schweizerischen Vertreter ins Ausland geschickt werden. Am nächsten Donnerstag findet in Bern eine Sitzung statt, zu der alle Bundesräte, zahlreiche Nationalräte und andere Persönlichkeiten eingeladen worden sind. Direktor Niesz von der Motor-Columbus A.G. wird über die Teilnahme und die Aufgaben der Schweiz beim Wiederaufbau sprechen, während Dr. Jacobsson von der BIZ über die Haltung Schwedens referieren wird. Dort kann auch der erwähnte Vorschlag besprochen werden. Es sind offenbar zwei verschiedene Wünsche zu unterscheiden: einmal, dass junge Leute, die noch keine Auslandserfahrung, aber eine gewisse Wirtschaftspraxis haben, ins Ausland geschickt werden. Andererseits möcht man Exponenten der Wirtschaft, die über gute Beziehungen und Kenntnisse im Ausland verfügen, dorthin delegieren. Dabei ist aber Voraussetzung, dass sich die richtigen Leute zu Verfügung stellen. Bevor ein offizieller Vorstoss in diese Richtung unternommen wird, muss man hierüber Gewissheit haben. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, dann müsste man verlangen, dass im diplomatischen Dienst vermehrt wirtschaftlich geschulte Kräfte verwendet werden. Präsident Koechlin wird darauf dringen, dass das Problem in der nächsten Sitzung der Schweizerischen Handelskammer behandelt wird. Das von Direktor Niesz präsidierte Komitee will in der Schweiz eine Organisation schaffen, welche für den Wiederaufbau Europas Aufträge voll übernehmen kann, wie zum Beispiel den Wiederaufbau eines Bahnhofes oder einer Ortschaft, da sonst die schweizerischen Lieferanten, wenn sie einzeln vorgehen ins Hintertreffen geraten würden. der Gedanke ist sicher gut und auch für das Gewerbe interessant. Dr. Homberger hat aber Bedenken, die sich hauptsächlich auf die Schwierigkeiten in der Transferierung des Geldes beziehen."

Dr. Staehelin

"fügt ergänzend bei, dass das Initiativ-Komitee verschiedene Vertreter aus der Industrie und der Finanz umfasst. Die Herren Dr. Homberger und Direktor Hotz haben, obgleich sie gewisse Bedenken hegten, grundsätzlich ihre Mitarbeit zugesagt. Man sucht, konkrete Arbeiten beim Wiederaufbau für die Schweiz direkt vom ausländischen Auftraggeber zu erhalten, wie zum Beispiel den Bau von Elektrizitätswerken oder Fabriken."

Ammann
"betont, dass wir die Aktion Niesz energisch unterstützen sollten. Er erinnert an das Beispiel Schwedens, welches durch eine ähnliche Organisation sich in Iran vor dem Krieg riesige Arbeiten sichern konnte."

Dr. Wilhelm
"begrüsst es, wenn die Schweizerische Handelskammer das Problem in Angriff nimmt; die Initiative sollte auf alle Fälle von ihr ausgehen."

Beschluss

"./. Die Handelskammer beschliesst, den zuständigen Stelle eine vermehrte Zuziehung von wirtschaftlich geschulten Kräften bei der Vertretung der Schweiz im Ausland zu beantragen; sie begrüsst den Vorschlag für eine Beteiligung der schweizerischen Wirtschaft am Wiederaufbau nach Kriegsende."



Protokoll der 651. Sitzung, Dienstag 4.1.1944



Vorsitz: Präsident Koechlin

"12. Diverses"

Dr. Keller

"erinnert an das Zirkular wegen der Besetzung des Konsulates von Panama in Basel und teilt mit, dass die Broschüre von Leuthäusel: 'Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Sowjet-Russland' beim Sekretariat bestellt werden kann."



Protokoll der 653. Sitzung, Dienstag 7.3.1944



Vorsitz: Präsident Koechlin

"3. Projekt einer internationalen Messe in Basel"

Prof. Brogle

Er ist eingeladen, über "das Projekt einer internationalen Messen in Basel zu orientieren". Ausländische Konkurrenz sei nicht schädlich für Schweizer Firmen, sondern "eine einmalige Chance für die Schweiz". Habe Rücksprache mit Bundesrat Stampfli gehabt, "der seinem Plan grosses Interesse und Wohlwollen entgegenbringt"; hat auch mit Vorort Kontakt aufgenommen.
Hebt 4 Punkte hervor:
1. Schweizer Mustermesse bleibt als ausschliesslicher Markt für Schweizer Waren bestehen.
2. "Eine zweite Messe soll vorwiegend Exportcharakter erhalten."
3. Ausländer sollen an diese Messe zugelassen werden.
4. "Das Projekt einer internationalen Msse darf nicht nur vom Blickpunkte der Basler Interessen aus geprüft werden; entscheidend müssen die Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft sein. Wenn sich damit der Gedanke verbinden lässt, dass durch einen solchen internationalen Warenmarkt in Basel ein konkreter Beitrag an den wirtschaftlichen Neuaufbau Europas geleistet werden kann durch Förderung des internationalen Warenaustausches, so liegt dies im Sinne der völkerverbindenden Mission der Schweiz. Das Echo dieses Exposés war sehr erfreulich, sowohl in der in- und ausländischen Presse als auch bei fremden Amtsstellen und Regierungen. Auch schweizerische Industriegruppen und die Bankwelt stehen dem Projekt sympathisch gegenüber.
Ob das Projekt schon während des Krieges oder erst nachher verwirklicht werden kann, ist noch nicht abgeklärt. Prof. Brogle war anfänglich der Ansicht, dass man bis Kriegsende warten müsse; jetzt ist er eher gegenteiliger Auffassung, weil der Krieg noch länger dauern kann und die Kriegswirtschaft in den verschiedenen Ländern eine feststehende Tatsache ist, während die Nachkriegsverhältnisse noch völlig unübersichtlich sind."

Koechlin

Noch unklar, wie einzelne Wirtschaftszweige auf diesen Vorschlag reagieren. "Die chemische Industrie, welche mehrere neue Produkte herausgebracht hat, die für den schweizerischen Markt bestimmt sind, würde der Schweizer Mustermesse auch nach Errichtung einer internationalen Messe weiter treu bleiben. Dagegen ist die Frage abzuklären, wie sich die andern Exportindustrien verhalten würden. Auch ein Teil des Gewerbes namentlich das halbindustrielle Gewerbe hat die Tendenz, sich zu gruppieren, um den Auslandsmarkt zu bearbeiten; diese Kreise dürfen aber der Schweizer Mustermesse durch die neue Veranstaltung nicht entfremdet werden." Steht dem Projekt "sehr positiv" gegenüber, Schweizer Mustermesse dürfe aber nicht geschädigt werden. Man soll nicht warten bis nach Kriegsende.

Dr. Gloor

"lehnt das Projekt keineswegs ab; er möchte es aber fast als Hybris bezeichnen, noch während des Krieges die internationale Messe zu eröffnen und damit dem Ausland vorzudemonstrieren, dass unsere Hallen noch verschont sind." Dazu fremdenpolizeiliche und militärische Probleme bei Einreise.

Schwarz

Begrüsst den Plan "lebhaft". "Die Durchführung wird nicht einfach sein; es ist aber ausserordentlich wichtig, dem Ausland zu zeigen, was die Schweiz leistet." Sieht auch Probleme der Einreise.

Hoffmann

Steht dem Projekt "sehr positiv" gegenüber. "Die Bedenken der Herren Dr. Gloor und Schwarz teilt er; andererseits haben die kriegführenden Staaten ein starkes Bedürfnis nach einem inoffiziellen internationalen Kontakt. Nach dem Ende der Feindseligkeiten wird ein längerer Zwischenzustand zwischen Krieg und Frieden beginnen; wir sollten schon vorher alle Vorbereitungen für die internationale Messe treffen, sodass wir diese nach einem Waffenstillstand sofort eröffnen können."

Dr. Hofmann
Begrüsst den Plan "ausserordentlich, schon weil nach dem Kriege ein sehr grosses Bedürfnis bestehen wird, Waren zu präsentieren und auszutauschen. Die Vorbereitungen müssen wir sobald als möglich treffen; denn die Hauptkonkurrentin, die Leipziger Messe, ist nach dem letzten Krieg sehr rasch wieder in Schwung gekommen."

Ammann

"misst dem Projekt für die Maschinenindustrie grosse Bedeutung bei, weil diese auf der geplanten internationale Messe konzentriert ausstellen kann, während sie auf den anderen internationalen Veranstaltungen meist verzettelt ausstellen muss." "Heute ist der Augenblick günstig; die kriegführenden Staaten werden nach dem Krieg sicher lieber in der neutralen Schweiz ausstellen als in den bisherigen Gegnerstaaten. Es ist nicht anzunehmen, dass die ausländischen Messen so rasch wieder in Gang kommen, wie nach dem letzten Kriege. Die internationale Messe in Basel sollte nicht schon jetzt eröffnet, sondern nur richtig vorbereite werden; denn sie muss das erste Mal ein durchschlagender Erfolg sein; dies könnte sie aber zur Zeit wenigstens international nicht."

Prof. Brogle

"Die Befürchtung von Herrn Dr. Gloor ist wohl nicht ganz stichhaltig; die internationale Messe in Basel wird nicht den Neid im Ausland erwecken, sondern Wohlwollen, da man dort nach einer neutralen Basis sucht." Glaubt nicht, dass andere internationale Messen so schnell wieder in Schwung kommen. "Er möchte die Messe nicht schon im heutigen Zeitpunkt eröffnen, wo nur Aussteller aus neutralen Staaten kommen könnten."

Koechlin

"würde es für keinen Nachteil halten, wenn bei der ersten internationalen Messe in Basel zufolge der Verkehrsschwierigkeiten nicht sehr viel ausländische Aussteller sich einfinden würden, vorausgesetzt, dass die Schweizerische Exportindustrie die Gelegenheit ausnützt. In den ausländischen Konsulaten und Gesandtschaften verfolgt man unsere Schweizer Produktion sehr genau, um zu erfahren, was die Schweiz an den vom Ausland benötigten Waren liefern kann; die schweizerische Industrie hätte also bei einer geringen ausländischen Beteiligung an einer internationalen Messe in Basel besondere Chancen."

Beschluss

"./. Die Handelskammer begrüsst grundsätzlich den Gedanken, eine internationale Messe in Basel zu schaffen, wobei sie gleich wie die Messedirektion voraussetzt, dass die Schweizer Mustermesse durch diese neue Veranstaltung in keiner Weise beeinträchtigt wird; für die Abklärung des Projektes stellt die Handelskammer ihre volle Unterstützung zur Verfügung."
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