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1940-1944
BAR E 2001(D)-/ 2/, 100, Dossier: B.34.9.5.B.10.: Belgien, Rassenfragen / Judenverfolgungen in Belgien [1940-1944]
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Sehr wichtig für Verhalten der Schweizer Behörden gegenüber jüdischen
Schweizern in den besetzten Gebieten!
Allg.: Es geht um die
Beschlagnahmung jüdischen Besitzes (Schweizer Juden) in Belgien. Darunter
folgende Fälle: Emile Bernheim (Bruxelles), Virginie Nisoli (Belgien), Betty
Lambert, Albert Felddegen, L. Wolff und Co. SPRL (Bruxelles), Aurèle Doriot
(Bruxelles)
U.a.
  • Konsul in Anvers an Schw. Gesandtschaft in Deutschland 11.11.1940: Er nimmt
    an, "dass schweizerische Staatsangehörige, jüdischer Konfession, immer noch
    vollen Anspruch auf unsern Schutz haben, und infolgedessen ihr Besitz,
    Vermögen etc. unter keinen Umständen beschlagnahmt werden kann, und dass
    sie das volle Recht haben, genau wie die andern schweizerischen
    Staatsangehörigen von den Behörden behandelt zu werden".
  • AA an Konsulat in Antwerpen 17.12.1940: Empfiehlt dem Konsul, direkt mit der
    Berliner Gesandtschaft zu korrespondieren. [Diese Korrespondenz wäre sicher
    interessant; so wie ich es sehe, gibt es Differenzen zwischen den schw.
    Konsulaten in Belgien und Frölicher]
  • Schw. Konsulatskanzlei in Bruxelles an Militärbefehlshaber in Belgien und
    Nordfrankreich 10.4.1942 (= Anhang zu Schw. Konsulatskanzlei Bruxelles an
    Schw. Gesandtschaft in Berlin 10.4.1942): Banque de Bruxelles SA soll im
    Auftrag der Kreditanstalt Zürich Wertpapiere verkaufen. Erstere verlangt
    Bestätigung, dass Besitzer der Papiere nichtjüdisch ist. Konsulat stellt sich auf
    Standpunkt, dass eine solche Regelung nicht auf Schweizer Bürger angewendet
    werden darf (ähnlich früherer Fälle in Deutschland)
  • Schw. Konsulatskanzlei Bruxelles an Militärbefehlshaber in Belgien und
    Nordfrankreich o.D. [April 1942]: Schweiz muss ihre Angehörigen schützen.
    Wenn die jüdischen Schweizer dennoch enteignet werden sollten, dann soll
    wenigstens ein Verkauf "an einen arischen schweizerischen
    Staatsangehörigen" möglich sein (damit sei "Entjüdung gesetzmässig
    durchgeführt"). "Die Schweizerische Regierung hat ein wirtschaftliches Interesse
    daran, dass bestehende Geschäfte, welche die Erzeugnisse ihrer
    Uhrenindustrie absetzen nicht verschwinden oder in unbekannte Hände fallen,
    und da in diesem Falle scheinbar ein schweizerischer Interessent für das
    Geschäft zu finden ist, würde die Schweizerische Konsulatskanzlei gerne
    vernehmen, dass dieser Weg seitens der zuständigen deutschen Behörden als
    gangbar betrachtet wird."
  • Schw. Konsulatskanzlei Bruxelles an Schw. Gesandtschaft Berlin 24.4.1942:
    Anwort des Militärbefehlshabers auf Brief vom 10.4.1942 sagt, dass Gesetze für
    alle Juden, also auch schweizerische, gelten. Konsulat machte ihn nochmals
    darauf aufmerksam, dass in Deutschland die schw. Juden auch nicht unter die
    Bestimmungen fallen.
  • Schw. Konsulatskanzlei an AA 5.5.1942: Es gibt offenbar zwei Strategien der
    Deutschen in Belgien gegenüber belgischen Geschäften. Liquidierung oder
    Arisierung [wobei bei der Liquidierung der Erlös bei den Deutschen bleiben
    dürfte]. Es werde jeweils von Fall zu Fall entschieden.
  • AA an Schw. Konsularkanzlei 16.5.1942: "Soweit schweizerische Firmen von
    der in Belgien geltenden Judengesetzgebung betroffen werden, wird es sich wie
    bis anhin darum handeln, in jedem einzelnen Fall eine möglichst günstige
    Lösung zu erzielen."
  • AA an Schw. Konsularkanzlei 29.5.1942: Es geht um (schw. nichtjüdische)
    Virginie Nisoli, verheiratet mit (jüdischem) Pavlovski. Sie darf das Geschäft
    ihres Mannes nicht weiterführen, da sie in Gütergemeinschaft leben. Bei
    Liquidierung des Geschäfts soll sie aber eine Abfindung bekommen. Erstaunen
    des Konsulats über verschiedene Grade von Entgegenkommen durch die
    Deutschen. Vielleicht gibt es gar keine grundsätzlichen Erwägungen, sondern
    Entscheidungen von Fall zu Fall. Konsulat will versuchen, dass das Ehepaar
    doch noch die Gütertrennung durchführen kann.
  • Konsularkanzlei in Belgien an AA 13.6.1942: Nisoli will keinen Einspruch
    erheben gegen die Entscheidung. Vor allem will sie keine Anwaltskosten
    übernehmen (Anwalt, der für das Konsulat ein Gutachten gemacht hat).
  • Frölicher an AA 17.6.1942: Juden in Belgien müssen Judenstern tragen,
    Ausgangsverbot und sonstige Beschränkungen. Gilt aber nicht für Ausländer,
    sind "gleich wie im Altreich vom Tragen des Sternes vorläufig befreit".
  • Konsularkanzlei Belgien an Rechtsbüro 25.11.1942: mit Beilage eines
    Formulars der Brüsseler Treuhandgesellschaft, die ein Inventar aller jüdischen
    Werte bei Banken etc. macht. "Je crains fort que ces dispositions s'appliquent
    également aux Juifs de nationalité suisse, mais afin d'être fixé à ce sujet, je
    demande des éclaireissements auprès de l'autorité compétente." ... genauere
    Lektüre im folgenden abgebrochen (praktisch nur noch französisch!)...
    Interessant:
  • Abschrift Bezirksgericht Zürich, 1. Abteilung, 7.9.1943, Prozess Firma Wolff,
    Bruxelles, vertreten durch kommissarischen Verwalter gegen René und Freddy
    Wolff, New York. Es geht offenbar um die Anerkennung der Legitimität von
    kommissarischen Verwaltern in jüdischen Firmen. [zu den kom. Verw. vgl. Balzli
    1997, S. 77-102, zu Gerichtsurteilen in dem Zusammenhang S. 86]

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