Die diplomatischen Vertretungen der kommunistischen Staaten entwickeln eine intensive Propagandatätigkeit. Die osteuropäischen Emigranten werden immer strenger bei ihrer Ankunft in der Schweiz kontrolliert, doch sind Beweise ihrer Umtriebe schwer zu erbringen. Die Gesandtschaften Jugoslawiens, Bulgariens und der Tschechoslowakei sollen besonders überwacht werden.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 17, doc. 38
volume linkZürich/Locarno/Genève 1999
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2800#1967/59#71* | |
Old classification | CH-BAR E 2800(-)1967/59 3 | |
Dossier title | Séance du 18 novembre 1947 (C.E.): Question du conseiller national Ernst Speiser: Activité communiste de certaines légations à Berne (1947–1947) | |
File reference archive | 02.1.19 |
dodis.ch/1724 Interne Notiz des Politischen Departements1
KOMMUNISTISCHE AKTIVITÄT DER GESANDTSCHAFTEN DER SATELLITENSTAATEN RUSSLANDS
I. Es liegt auf der Hand, dass die Regierungen der von Russland abhängigen Oststaaten schon bald nach ihrer Machtübernahme, zweifellos gemäss Weisungen aus Moskau, wichtige Posten ihrer Auslandvertretungen mit treuen Parteileuten besetzten. So sind auch in der Schweiz den betreffenden Gesandtschaften bewährte Kämpfer für die kommunistische Idee zugeteilt worden3.
Erste Aufgabe dieser Parteianhänger scheint die Überwachung der übrigen Gesandtschaftsmitglieder und vor allem des Missionschefs zu sein. Infolge dieser Kontrolle kommen verständlicherweise immer mehr Parteileute an die wichtigen Posten, da die übrigen mit der Zeit ausgeschaltet werden, wie dies die vielen Wechsel, sogar der Missionschefs, zeigen.
Eine weitere Aufgabe der Parteileute scheint die Überwachung der in der Schweiz befindlichen Emigranten zu sein, während ihnen als Letztes die Verbindung mit den «befreundeten» Parteianhängern in der Schweiz und deren allfällige Unterstützung aufgetragen ist.
Die nachfolgenden Angaben über einzelne Gesandtschaften sind Berichten der Bundesanwaltschaft und der schweizerischen Gesandtschaften in den betreffenden Staaten entnommen worden4. Trotz weitgehender Kontrolle der verdächtigen Gesandtschaftsmitglieder, unter anderm auch Abhörung von Telephongesprächen5, ist es bis heute noch nicht möglich gewesen, noch mehr belastendes Material zu beschaffen. Als aktivste Kämpfer für die kommunistische Idee haben sich bis heute die Jugoslawen erwiesen.
II. 1. Jugoslawien
Die Gesandtschaft ist weitgehend durchsetzt mit Vertretern der OZNA. Während früher jedem «treuen» Mitglied der Gesandtschaft ein bestimmter Sektor der Schweiz zur «Bearbeitung» zugeteilt war, ist seit dem letzten Frühling die Organisation weitgehend dezentralisiert worden. So sind in den Universitätsstädten vor allem Studenten für die OZNA eingespannt worden.
Über sämtliche politische Organisationen und Verwaltungen werden genaue Erhebungen getroffen. Die Leiter von Bundesämtern, von kantonalen und städtischen Verwaltungen werden identifiziert, ihre politische Einstellung, finanzielle Lage, ihre Schwäche und Stärke, erforscht. Zweck dieser gewaltigen Arbeit ist die Vorbereitung einer sogenannten 5. Kolonne im Hinblick auf eine eventuelle Auseinandersetzung zwischen Ost und West, bei welcher die Schweiz als Feindstaat, zum Westblock gehörend, betrachtet würde.
Einem Telephongespräch zwischen Minister Ristic und einem seiner Mitarbeiter konnte entnommen werden, dass sich die jugoslawische Gesandtschaft sehr für die Wahlresultate der bisherigen Nationalratswahlen und vor allem der allfälligen Vertretung der PdA interessierte. Während Minister Ristic selbst in politischer Hinsicht keine bedeutende Figur sein dürfte, sind auf der jugoslawischen Gesandtschaft vor allem folgende Leute als treue Kommunistenanhänger bekannt:
Vukovic Jagos: Eingefleischter Kommunist. Vertrauensmann der OZNA. Ist von einem Freund am Telephon zu seiner Beförderung zum «meistgefürchteten Mann» in der Gesandtschaft beglückwünscht worden. Besitzt beste Verbindungen zur PdA. Reist viel in der Schweiz umher, um seine Agenten zu besuchen.
Jovanovic Strahinja, Attaché commercial adjoint. Vermutlich Mitglied der OZNA. Spielt innerhalb der Gewerkschaft der Gesandtschaftsmitglieder eine grosse Rolle.
Wilczek Miroslav, angeblich Kanzleibeamter. Mitglied der OZNA. Gute Beziehungen zu schweizerischen Linksparteien.
Von den inzwischen weggereisten jugoslawischen Diplomaten waren noch folgende von Bedeutung:
Jagrovic Dragan, Kassier der Gesandtschaft. Fanatischer Kommunist. Spielt grosse Rolle in der Partei.
Mitrovic, Militärattaché. War sehr tätig im Gebiet der Militärspionage.
Lompar. Einflussreicher Anhänger Titos. War Chef der OZNA des Sektors Genf. Erklärte vor seiner Abreise, dass die schweizerischen Behörden ihm die Erfüllung seiner Aufgabe sehr erschwert hätten; es seien alles Faschisten. Er werde darüber Jugoslawien zuständigenorts Bericht erstatten.
2. Bulgarien
Boris Popoff, Geschäftsträger a. i.: Schon vor der Demission von Minister Veltscheff absoluter Chef der Gesandtschaft. Spielte aktive kommunistische Rolle in seinem Heimatlande. Enge Verbindung zur GPU. Aufgabe: Überwachung der gegenwärtigen Gesandtschaftsmitglieder und anderer bulgarischer Persönlichkeiten. Dass er eigentlichen Nachrichtendienst zugunsten der UdSSR betreiben würde, konnte ihm bis jetzt nicht nachgewiesen werden.
Totchov Lazar, Konsul in Genf. Aufgabe: Bespitzelung der Emigrantenkreise in Genf. Im gegebenen Zeitpunkt wäre er Chef der bulgarischen Studenten in Genf, die mit Aufgaben der politischen Spionage betraut sind.
3. Polen
Forst-Battaglia Otto, Kulturattaché in Lugano. Ist dadurch gefährlich, dass er neben wahren Artikeln über Polen, mit denen er Vertrauen zu erwecken weiss, hin und wieder auch andere Zeitungsberichte schreibt.
Von den in diesem Jahre abgereisten Mitgliedern der Gesandtschaft waren folgende wichtig:
Jedrichowska Anna, Kanzleibeamtin. Überzeugte Kommunistin. Beweise, dass es sich bei ihr um eine Geheimagentin handelte, konnten jedoch nicht erbracht werden.
Malik Viktor, Militärattaché. Agent der NKWD. Hatte sehr enge Beziehungen zur russischen Gesandtschaft.
Sup Josef Dr., Kulturattaché, hat sich seit Ende des Jahres 1946 wegen seiner politischen Aktivitäten in der Schweiz unliebsam bemerkbar gemacht. Unterhält zu den Funktionären der PdAS engste Beziehungen. Ist auch bei der Koordinationsstelle für Nachkriegsarbeit (KOOST) in Erscheinung getreten. Bemühte sich für die Organisation von Ferienaufenthalten für tschechische Kommunisten. Enge Beziehungen zur Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion6. Beauftragte deren Sekretär mit der Einholung von politischen Auskünften. Gegner von Minister Andrial. Die Bundesanwaltschaft ersuchte um Prüfung, ob Sup nicht abberufen werden könnte.
- 1
- E 2800(-)1967/59/3. Paraphe: GR. Diese Notiz wurde durch R. Bindschedler unterzeichnet und war aufgrund einer Anfrage von E. Speiser vom 10. November 1947 zu den kommunistischen Aktivitäten der osteuropäischen Gesandtschaften in der Schweiz für die Sitzung der aussenpolitischen Kommission des NR vom 18. November 1947 erstellt worden.↩
- 2
- Das Dokument ist nicht datiert. A. Zehnder hat das Dokument am 14. November 1947 an M. Petitpierre weitergeleitet.↩
- 3
- In einer Notiz an M. Petitpierre vom 17. November 1947 äusserte sich A. Zehnder über die Tätigkeiten der sowjetischen Gesandtschaft in Bern, E 2800(-)1967/59/3: Jusqu’ici le Ministère public fédéral n’a pas constaté d’activité communiste de la part des membres de cette Légation. Nous savons seulement que le chef du service consulaire, M. Gvinadze, Attaché, est l’agent principal du parti à la Légation soviétique à Berne.↩
- 4
- Zur Frage der rumänischen Spionagetätigkeit in der Schweiz vgl. die Notiz über eine Unterredung mit Legationsrat C. Valeanu von der rumänischen Gesandtschaft vom 9. November 1947, E 2001(E)1969/121/51 (dodis.ch/1736). Zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit von osteuropäischen Staaten und deren Gesandtschaften in der Schweiz im allgemeinen vgl. Nrn. 97 und 100 in diesem Band sowie die Notiz vom 5. März 1948, E 2001(E)1967/113/193 (dodis.ch/5694), die Notiz vom 14. Juni 1948, E 2802(-)1967/78/11 (dodis.ch/5693), und die Notiz vom 9. März 1949, E 2001(E)1972/33/279 (dodis.ch/4464).↩
- 5
- Diese Passage wurde von A. Zehnder unterstrichen und mit der Randbemerkung secret versehen.↩
- 6
- Zur Gesellschaft Schweiz- Sowjetunion vgl. E 2001(E)1970/217/74.↩
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